Teufel - Thriller
drei Stunden in der Zelle und ihr graute vor der kommenden Nacht. Nicht wegen dem Chinesen in dem Stockbett, der war keine reale Bedrohung. Aber wegen der Kälte. Schon jetzt stand ihr Atem in weißen Wolken im Raum. Bei Einbruch der Dunkelheit würde die Temperatur in der Zelle unter den Gefrierpunkt sinken. Die speckigen Decken waren vielleicht doch eine zweite Inspektion wert, wollte Valerie am Morgen nicht steif gefroren aufwachen.
Plötzlich hörte sie, wie der Schlüssel nach und nach jedes der drei Schlösser aufsperrte. Dann geschah gar nichts. Valerie hatte den Eindruck, als würden sich zwei Personen leise vor der Tür unterhalten. Sie verstand kein einziges Wort. Sie war sich nur sicher, dass es nicht Chinesisch war. Dann flog die Tür auf, und ihr Kopilot wurde hereingeschoben, bevor die Zelle wieder sorgsam verschlossen wurde.
»Tsering, was machst du hier?«, rief Valerie, sprang auf und umarmte den drahtigen Tibeter, der sich rasch in der Zelle umblickte. »Haben sie dich auch verhaftet?«
»Schsch!« Tsering legte den Finger auf die Lippen, dann ging er zu dem schlafenden Chinesen hinüber, schnüffelte und zog ein verächtliches Gesicht. »Zwei Promille und bewusstlos bis morgen. Chinesen sollten nichts trinken. Sie vertragen es nicht.«
Dann kam er zu Valerie zurück und schaute ihr forschend ins Gesicht. »Ist es wahr, dass du gegen die Chinesen in Europa gekämpft hast?«
Valerie blickte ihn überrascht an. »Ja, Li Feng hat recht, meine Freunde und ich haben den Chinesen in Wien ein altes Geheimnis vor der Nase weggeschnappt. Ein gefährliches Geheimnis, das zum Ende der Welt geführt hätte. Li Feng unterlag und wurde in die Mongolei strafversetzt. Aber warum fragst du?«
Der Tibeter überlegte kurz. »Weil wir auf derselben Seite stehen, du und ich. Es gibt einen aktiven tibetischen Widerstand, musst du wissen, der seit vierzig Jahren gegen die Besatzer kämpft, mehr oder minder erfolgreich. Wir sind nicht sehr stark und oftmals isoliert, aber unsere Politik der Nadelstiche zeigt Wirkung.« Er sah den Funken Hoffnung in Valeries Augen aufleuchten und winkte ab. »Nein, wir sind nicht gut genug, um dich aus einem chinesischen Militärgefängnis zu befreien. Mach dir keine falschen Hoffnungen.« Er schaute auf die Uhr. »Ich habe nicht mehr viel Zeit. Einer der Wärter hier ist ein Landsmann und ebenfalls im Widerstand. Er hat mich hereingebracht. In den letzten Stunden habe ich viele Telefongespräche geführt, Erkundigungen über dich eingezogen und Kontakte geknüpft. Du wirst dich nur selbst aus dieser Zelle befreien können.«
»Ich mich selbst?«, wisperte Valerie überrascht.
Tsering nickte energisch. Da läutete plötzlich ein Handy. Der Tibeter griff in seine Jacke und schaute auf das Display. »Für dich!«, sagte er leise, nahm das Gespräch an und drückte Goldmann das Mobiltelefon in die Hand. Sie schaute ihn verständnislos an, dann hielt sie das abgegriffene Nokia ans Ohr.
»Ja?«, sagte sie leise.
»Major Goldmann, sind Sie auf Urlaub in Tibet und besichtigen gerade die chinesischen Sicherheitseinrichtungen?« Die Stimme klang leicht spöttisch.
Valerie war sprachlos.
»Fehlen Ihnen die Worte? Das ist doch sonst nicht eines Ihrer Probleme.« Der Anrufer lachte leise.
»Shapiro!«, zischte Valerie. »Was zum Teufel …?«
»Lassen Sie den aus dem Spiel«, unterbrach sie der Geheimdienstchef. »Ich bin immer wieder überrascht, wo auf dieser Welt Sie sich überall herumtreiben. Lhasa ist nicht gerade für seine Luxusherbergen bekannt.«
»Etwas karg, zugegeben«, raunte Goldmann und sah sich um. »Woher wissen Sie …?«
»… dass Sie in einer Zelle der geheimen chinesischen Militärbasis sitzen? Ich würde ja gerne auf unser lückenloses Informationsnetzwerk verweisen, aber das wäre gelogen.«
»Sie nehmen es doch sonst auch nicht so genau mit der Wahrheit«, gab Valerie zurück. »Woher kommen plötzlich diese Skrupel?«
»Major Goldmann, wollen Sie mit mir streiten oder mir zuhören?«
»Wollen Ersteres, müssen Zweiteres«, antwortete Valerie und versuchte sich Oded Shapiro vorzustellen, wie er an seinem völlig überladenen Schreibtisch in Tel Aviv Unterlagen und Menschenleben von einer Seite auf die andere schob.
»Ein sehr effektiver junger Mann hat das Institut vor neunzig Minuten auf der offenen Leitung angerufen und uns davon unterrichtet, dass Sie einen Zwangsurlaub auf dem Dach der Welt angetreten haben. In einem chinesischen All-inclusive-Resort.«
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