Teufel - Thriller
der Ihre Entlassung anordnet. Hat er Ihnen das nicht gesagt? Ich habe dem tibetischen Widerstand ein wenig unter die Arme gegriffen mit meinen Beziehungen. Gewisse chinesische Geheimdienststellen, die Li Feng nicht in ihr Herz geschlossen haben, waren mir noch etwas schuldig. Sagen wir, es war eine Interessensabwägung.«
»Der Schlag soll Sie treffen, Shapiro«, fauchte Goldmann. »Habe ich Ihnen heute schon gesagt, dass Sie so ziemlich das Letzte sind…«
»Warum klingt das aus Ihrem Mund immer wie ein Kompliment?«, unterbrach sie Shapiro. »Ich habe gesagt, Sie sollen nicht rumtrödeln, Major Goldmann. Ihr Flieger geht in knapp 120 Minuten. Genug geplaudert. Melden Sie sich aus Kathmandu.« Damit legte er auf.
Valerie funkelte Tsering wütend an und stürmte zur Tür. »Judas!«, zischte sie ihm zu.
Der Tibeter lächelte entschuldigend und klopfte von innen an die Zellentür. »Ich habe dir gesagt, dass wir eine kleine Organisation sind. Wenn uns der Mossad mit Geld und Ausrüstung unterstützt, dann nehmen wir natürlich mit Handkuss an. Was hättest du getan?«
»Ich habe heute meine Seele verkauft«, entgegnete Valerie wütend, »wegen dir!«
»Darf ich dich daran erinnern, dass ich den Handel überhaupt erst möglich gemacht habe?«, versuchte Tsering sie zu beruhigen. »Sonst hättest du in den kommenden Monaten die Launen Li Fengs ertragen oder in der Zelle erfrieren müssen. Also! Was ist besser?«
Mit einem abschätzigen »Pfff!« folgte Valerie dem Wärter, der sie durch zahlreiche Sicherheitsschleusen zum schwer bewachten Ausgang eskortierte. Dort kontrollierte man ihren Entlassungsschein mehrmals, dann drückte man ihr den kleinen Seesack mit ihren persönlichen Gegenständen in die Hand und öffnete das Tor.
Ein japanischer Geländewagen wartete bereits mit laufendem Motor auf sie. Wenige Augenblicke später waren Valerie und Tsering auf dem Weg zum Flughafen.
Minoritenkirche, Wien-Innere Stadt/Österreich
E s war nicht leicht, im engen Gassengeflecht um den Minoriten-platz in der Wiener Innenstadt einen Parkplatz zu finden. Der gelbe Lada holperte mehrere Runden über das Kopfsteinpflaster des Michaelerplatzes, und Sina war froh, als sie endlich eine kleine Lücke in einer Seitengasse gefunden hatten, in die der Geländewagen gerade so passte.
Die Goldornamente auf der grünen Kuppel des Michaelertores glitzerten in der Sonne, Fiakerpferde dösten in ihren Geschirren vor sich hin, und Touristengruppen standen in Trauben um Stadtführer herum oder fotografierten. Im Gastgarten des Café Griensteidl tranken erste Sonnenhungrige ihren Kaffee und aßen Wiener Mehlspeisen.
Georg Sina hatte Tschak an die Leine genommen und spazierte, mehr gezogen als aus freiem Willen, über den Platz. Er betrachtete mit gemischten Gefühlen die Statue über dem Hauptportal der Michaelerkirche mit dem berühmten Engelsturz im Chor, das goldene Flammenschwert des Erzengels Michael und den brüllenden Teufel unter seinem Fuß. Der schlanke Turm der ehemaligen Hofkirche, die enge Straße vor dem Innenministerium, all das weckte in ihm Erinnerungen an turbulente Zeiten. Er dachte an die Fernsehberichte über die Ausschreitungen im letzten Jahr, an seine Suche mit Paul nach dem ältesten Grabstein der Michaelerkirche und an seine Unbeschwertheit, mit der er sich auf das erste gemeinsame Abenteuer eingelassen hatte.
Dank Jauerling und seinem Archiv und meiner Vorliebe für scheinbar harmlose Schnitzeljagden bin ich mitten im nächsten Abenteuer gelandet, dachte Georg. In einer Auslagenscheibe beobachtete er Barbara Buchegger, die sich bemühte, mit Sina und Tschak Schritt zu halten. Diese harmlose Nonne hat keine Ahnung, was auf sie zukommt. Er hielt nach dem Unbekannten Ausschau, der ihnen in Kühnring gedroht hatte. Die beiden Kampfhunde am Michelberg waren sicher nur ein kleiner Vorgeschmack gewesen.
Die Minoritenkirche stand genau in der Mitte eines weitläufigen, gepflasterten Platzes, dem sie ihren Namen gegeben hatte. Um die gotische Kirche reihten sich eindrucksvolle Fassaden, hinter denen Ministerien, das Haus-, Hof- und Staatsarchiv, die Vertretung Niederösterreichs und andere staatliche Stellen ihren Sitz hatten.
Auf der Suche nach dem Eingang waren Barbara die Bänder in den Farben der italienischen Trikolore aufgefallen, die an Bildstöcken und Epitaphen in den Laubengängen rund um die Kirche angebracht waren. Mit weit zurückgelegtem Kopf bewunderte sie das feine Maßwerk in den drei hohen Fenstern
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