Teufel - Thriller
derer, die sich und ihr Wissen gerettet haben, ermutigt durch den Brief des Bischofs von Nikomedia an Kaiser Konstantin.«
»Sie wissen erstaunlich gut Bescheid, Pater…«, murmelte Sina nachdenklich und setzte Tschak auf den Boden. »Sie meinen die Arianer?«
Frascelli nickte. »Vergessen Sie niemals, worüber die Apostel auf dem Bild streiten. Sie sind sich uneins, wer die zukünftige Kirche anführen wird. Es geht darum, wessen Auslegung von Jesu Worten, welche Version seiner Geschichte die Marschrichtung für kommende Generationen und damit den Inhalt des gesamten christlichen Glaubens vorgeben wird. Wer wird diese Kirche regieren, lautete die Frage, die Arianer oder die Dreifaltigkeit?«
»Und?« Georgs Interesse war geweckt.
»Wie es war, wissen wir nicht, und wie es geschrieben steht, war es nicht. Sie kennen den alten Spruch unter aufgeklärten Bibelgelehrten?« Frascelli warf Buchegger einen vorsichtigen Seitenblick zu. »Professore, auf dem Konzil von Nicäa sind alle Evangelien aussortiert worden, in denen Passagen enthalten waren, die für die offizielle Lehre schwierig waren. Die angeblichen Autoren der drei bedeutendsten dieser Evangelien sehen Sie hier. Sie sitzen zur Rechten des Herrn.« Der Priester zeigte auf das Mosaik. »Es sind die Jünger Thomas, Jakobus und Philippus.«
»Und was steht in diesen verbotenen Schriften?«, schaltete sich Eddy, der langsam nachgekommen war, interessiert in das Gespräch ein.
»Das Thomasevangelium ist die vielleicht umfassendste Spruchsammlung der Worte Jesu«, antwortete Frascelli prompt. »Viele betrach ten es darum als jene › Urquelle Q ‹ , die auch Matthäus, Markus und Lukas wortgleich in ihren Evangelien zitieren. Aber Thomas erwähnt nicht mit einem Wort die Kreuzigung oder die Auferstehung. Und viel wichtiger, er nennt Jesus niemals › Christus ‹ oder › Sohn Gottes ‹ . Er bezieht sich auch niemals auf die alttestamentarischen Prophezeiun gen über das Kommen des Messias. Dann allerdings kam die Amtskirche und diffamierte genau diesen Jünger als den sprichwörtlich gewor denen › ungläubigen Thomas ‹. « Der Geistliche sah Eddy an. »Auf der anderen Seite hat aber der auferstandene Jesus nur ihm seine wahre Natur offenbart, als er Thomas erlaubte, den Finger in seine Wunden zu legen.«
»Langer Rede kurzer Sinn«, unterbrach ihn Sina. »Jesus ist im Thomasevangelium ein Mensch wie jeder andere, nicht der prophezeite Messias, der vom Heiligen Geist von einer Jungfrau empfangen wurde, wie das von den Bischöfen in Nicäa beschlossen worden war. Ist das in den beiden anderen Texten genauso?«
Der Priester nickte. »Es ist das Philippusevangelium, das genau dazu klar Stellung bezieht. Es stellt fest: › Einige sagten: › Maria ist schwanger geworden vom Heiligen Geist. Sie irren sich! Sie wissen nicht, was sie sagen! Wann wäre jemals ein Weib von einem Weibe schwanger geworden? ‹ Es verlangt sozusagen mit dieser Feststellung für Jesus nicht nur eine Mutter, sondern auch einen biologischen Vater. Er ist ganz Mensch und nicht Gott, wie es auch das Thomasevangelium bestätigt.«
»Wie ich vor zwei Jahren von Valerie Goldmann erfahren habe, ist in den semitischen Sprachen das Wort für › Geist ‹ weiblich. Es heißt › ruach ‹ , also › die ‹ , und nicht › der Heilige Geist ‹ . In der hebräischen Konsonantenschrift der Thora manifestiert sich der lebensspendende Geist in den fünf Vokalen AEIOU, die vom Leser ergänzt werden müssen«, erklärte Georg für die beiden anderen. »Was ist das Besondere an Jakobus?«, fragte er dann wieder Frascelli.
»Das Evangelium nach Jakobus erklärt uns den Stammbaum Jesu, macht ihn über seine Mutter zu einem Mitglied einer alten Priesterfamilie aus dem Haus Davids. Also nicht über seinen Vater Josef, wie es die vier offiziellen Evangelien tun. Bei den orientalischen Volksgruppen wird nämlich, anders als bei den europäischen, die Verwandtschaft und Zugehörigkeit zu einem Stamm oder einer Familie von der Blutlinie der Mutter, nicht von der des Vaters hergeleitet.«
»Ich verstehe«, murmelte Georg, »Sie meinen, hier hätte man die Herkunft des Erlösers also ein wenig an die Bedürfnisse der römischen Welt angepasst…« Er überlegte kurz. »Aber das ist in sich nicht schlüssig«, protestierte er dann. »Wenn Jesus der Sohn Gottes ist, vom Heiligen Geist empfangen, wie auf dem Konzil von Nicäa festgelegt, dann kann er nicht über seine Verwandtschaft mit Josef der
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