Teufel - Thriller
Kaffee ist köstlich, die Eier kernweich, die Brötchen frisch. Danke für die Einladung.«
»Ich bin es, der zu danken hat«, entgegnete Paul. »Ohne Ihre Hilfe wäre ich gestern nicht mehr so weit in meiner Recherche gekommen.«
»Sie wollten mir noch etwas zeigen«, erinnerte ihn Ahrends und schenkte sich Orangensaft nach.
Der Reporter zog die Schatulle aus seiner Reisetasche, die Stepan ihm in Deutschbrod mitgegeben hatte, und stellte sie auf den Tisch. »Nicht nur, ich wollte mich auch erkenntlich zeigen für Ihre Zeit und Mühe.« Dann erzählte Paul von dem alten tschechischen Widerstandskämpfer, seinen Erinnerungen und seiner Hütte im Garten, der SS und dem verschwundenen Transport. Am Ende öffnete er den Deckel der Keksschachtel und schob sie Ahrends zu. »Stepan hatte mich gebeten, diese Stücke an ein Museum oder eine Sammlung weiterzuleiten, um sie auszustellen und damit Geschichte lebendig zu machen. Ich glaube, bei Ihnen wären sie in den richtigen Händen. Ich brauche nur noch zwei Dinge für ein paar Tage: den Ausweis von Karl Lindner und diesen Befehl.« Er zog das gefaltete Blatt aus der Schatulle und hielt es Ahrends hin. »Lesen Sie und erklären Sie mir, was geweihte Erde in diesem Zusammenhang bedeutet.«
Der Historiker legte sein Besteck zur Seite und nahm den vergilbten Briefbogen vorsichtig mit den Fingerspitzen an den Ecken. Er pfiff leise durch die Zähne, als er die Unterschrift und die Ortsangabe sah.
»Sicher einer der letzten Befehle, die Himmler hier erlassen hat«, murmelte er. »Gratuliere, damit haben Sie eine lückenlose Beweiskette.
Aber in einem Punkt muss ich Sie enttäuschen, Herr Wagner. Ich habe keine Ahnung, was mit der geweihten Erde gemeint ist, in die der Inhalt des Transports gebettet werden soll. Das lese ich zum ersten Mal.«
»Irgendeine Vermutung?«, stieß Paul nach.
Ahrends schüttelte den Kopf. »Der Begriff kommt doch eher aus dem christlichen Bereich, normalerweise ist damit ein Friedhof oder eine Gruft in einem Gotteshaus gemeint. Also geweiht durch einen Pfarrer, denken Sie nur an das Weihwasser. Für die Nationalsozialisten gab es keine geweihte Erde. Es gab zwar Weihestätten, eine solche war die Wewelsburg auch, oder der Braunschweiger Dom genauso wie die Staufer-Gedenkstätte im Kloster Lorch. Aber geweihte Erde?« Der Historiker faltete den Befehl vorsichtig wieder zusammen und reichte ihn Wagner zurück. »Also kann Himmler nur, so seltsam es auch klingen mag, kirchlich geweihte Erde gemeint haben. Dann bleibt nur noch die Frage – warum?«
»Darüber zerbreche ich mir seit gestern Abend auch den Kopf«, gab Wagner zu.
Ahrends verteilte nachdenklich Butter auf sein Brötchen. »Betrachten wir diese ganze Geschichte des Transports doch einmal von Beginn an. Von der Wewelsburg macht sich Ende März ein Waggon auf den Weg südwärts. Er wird von Himmler befohlen und von SS-Männern begleitet, Tag und Nacht bewacht. Er kommt bis Deutschbrod, dann geschieht etwas Unvorhergesehenes – die Lokomotive ist plötzlich weg.«
Der Reporter nickte. »Doch dann ist eine andere Lok ebenso plötzlich wieder da, allerdings sind die SS-Männer weg, und zwei Soldaten, Walkowski und Richter, scheinen den Transport wissentlich oder unwissentlich übernommen zu haben. Sie kommen bis in den kleinen Bahnhof von Unterretzbach, das ist sicher. Dort allerdings lassen sie den Zug stehen, vielleicht weil ihnen die Kohle ausgegangen ist, und steigen auf ein Motorrad um, die Packtaschen voller Geld. Sie kommen aber nicht weit. Ende der Geschichte. Ich sehe keine geweihte Erde.«
»Ich auch nicht«, gab Ahrends zu, »aber mir fällt etwas anderes auf. Keiner, der je mit diesem Transport zu tun hatte, hat es überlebt. Schlimmer noch, sie alle starben eines gewaltsamen Todes.«
Paul erstarrte in der Bewegung. Er sah den Historiker völlig überrascht an.
»Na ja, überlegen Sie. Beginnen wir mit Himmler, der den Befehl gab. Er brachte sich 1945 wenige Wochen später mit einer Zyankalikapsel um und krepierte elendiglich. Obersturmbannführer Lindner starb in Deutschbrod, gemeinsam mit den beiden SS-Männern der Wachmannschaft. Der Konvoi der SS wurde von Partisanen überfallen, alle Insassen der beschädigten Wagen sofort hingerichtet. Ihr Widerstandskämpfer Stepan war dabei. Walkowski und Richter kamen bis Unterretzbach, wurden dort ermordet und ins Kriegerdenkmal eingemauert.«
»Markhoff, der Mörder der beiden Soldaten, wird in Russland von Wölfen zerrissen,
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