Teufel - Thriller
bereits im Oktober der erste Transport in Richtung Süden, den er auch begleitete, weil er sich den triumphalen Einzug in Rom nicht nehmen lassen wollte. Doch auf der Rückfahrt geschah etwas Unvorhergesehenes: Trotz aller Sorgfalt gingen bei der Überquerung des Taro im Piemont Teile des Vatikanischen Geheimarchivs verloren. Die Hoch- und Deutschmeister erbeuteten die Kisten und Körbe für Österreich mit Waffengewalt. So weit die Fakten.«
Meitner lehnte sich zurück und legte die Fingerspitzen aneinander, während er Bertucci und Goldmann beobachtete. »Ab da verschwand das Archiv in den Tiefen der Zeit. Es bleiben uns nur mehr Vermutungen, Rückschlüsse, Legenden und einige wenige Fakten.«
»Deswegen sind wir hier«, warf Valerie ein.
»Nicht unbedingt sehr wissenschaftlich, Frau Goldmann«, lächelte Meitner. »Aber bevor wir zu Theorien kommen, hier vorab eine unumstößliche Tatsache: Die Geschichte dieses Archivs wurde seit Paris mit Blut geschrieben.« Er wurde ernst und schaute Valerie tief in die Augen. »Vielleicht klingt es seltsam, aber es scheint, als sei jemand dahinter her, so unbeirrbar wie der Teufel hinter den Seelen.«
Stiftskirche St. Servatius, Quedlinburg, Sachsen-Anhalt/Deutschland
G eorg Sina stand in dem dunklen, würfelartigen Raum im Norden des Ostchores der Stiftskirche und wunderte sich. Das herrschende Zwielicht war nur durch die punktuelle Beleuchtung in den Vitrinen erhellt. Das Gold, das Elfenbein und die Edelsteine an den Reliquien und Bucheinbänden des Domschatzes schimmerten im Licht der Spots. Der steinerne Krug, der in einem düsteren Eck den Besuchern präsentiert wurde – sollte er tatsächlich einer jener berühmten sechs aus dem Johannesevangelium sein? Der Wasserkrug, mit Griff und Schnabel, war zwar äußerst kunstfertig aus einem Stein geschnitten, mit wunderschöner Maserung von Braun bis Ocker, er war aber trotz allem nur ein römisches Gefäß, mehr nicht.
Es gab rein gar nichts Außergewöhnliches an diesem Gefäß, nichts, das dem Betrachter verriet, dass in ihm einmal durch ein Wunder Wasser zu Wein verwandelt worden wäre… Georg schüttelte den Kopf. Nein, die unglaubliche Geschichte, das ausgefeilte Rätsel des Zwerges, alles das lag weit weg, betrachtete man diesen einfachen Steinkrug.
Ganz anders wirkten im Vergleich dazu die anderen Kunstschätze auf den Betrachter, das prunkvolle Otto-Adelheid-Evangeliar und das effektvolle Servatiusreliquiar. Oder, wie es Sina von Jauerling besser wusste, der Schrein für den Corpus Christi. Der war ganz goldene Pracht und Herrlichkeit. In diesem wertvollen Behälter waren die sterblichen Überreste von Jesus durch ganz Europa hierher gereist, unter den Schutz des mächtigen Königs Heinrich. So erzählte es zumindest die Geschichte der Krüge, von denen einer hier so unbeteiligt in einem Eck stand und langsam Staub ansetzte.
Der Sternenweg hatte Schwester Barbara und ihn an diesen Platz geführt.
Sie waren am Ziel.
Und doch… Sie standen jetzt wieder ganz am Anfang. Der goldene Reliquienschrein war leer, oder besser gesagt, es lag der Falsche darin. Nicht mehr der Erlöser, den Jauerling und, wie es schien, auch Himmler gesucht hatten, sondern ein katholischer Heiliger und Gegner der Menschlichkeit Jesu.
Wo war der versprochene Körper des Messias? Wohin hatte man die Reliquie gebracht?
Sina fixierte den Krug, als könnte er ihm so sein Geheimnis entreißen. Sackgasse, wiederholte er im Geiste und ging dann zur Vitrine des Servatiusreliquiars hinüber. Von dem wuchtigen Amethyst an der Stirnseite ging in dem Halbdunkel ein eigenartiger Zauber aus. Er ging in die Knie, um besser sehen zu können, und näherte sein Gesicht dem Vitrinenglas.
In dem Moment vibrierte das Handy in seiner Hosentasche, und er zuckte zusammen.
»Mich trifft noch einmal der Schlag…«, keuchte er überrascht und schaute auf das Display. Der Anrufer war Paul. Wer sonst? Er eilte aus dem Ausstellungsraum und drückte die Annahmetaste. »Paul!«, sagte er. »Schön, dich zu hören.«
»Du bist schwerer zu erreichen als der Bundespräsident«, maulte Wagner halb im Ernst und halb im Spaß. »Ich versuche seit Tagen, den werten Herrn Professor zu sprechen, aber lande jedes Mal nur auf deiner Mobilbox…«
»Das tut mir leid. Ich hatte auch schon ein schlechtes Gewissen deswegen, aber du glaubst nicht, was mir in den letzten Tagen so alles passiert ist…«, begann Sina, ignorierte bewusst die strafenden Blicke der Umstehenden wegen
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