Teufel - Thriller
davon bereits transkribiert hatte, hatte schon ausgereicht, ihm einen positiven Bescheid für die Förderung eines Einzelprojekts vom österreichischen Wissenschaftsfonds zu beschaffen.
Die dafür notwendige internationale Begutachtung hatte ihn nur ein paar Anrufe und E-Mails unter Kollegen gekostet. Was Sina hier in der Hand hielt, war immerhin ein einmaliges Zeugnis für die Geheimdiplomatie des 18. Jahrhunderts. Das Material berührte Italien, Frankreich, Spanien, das heutige Deutschland und Österreich. Alle europäischen Institute wollten wissen, was auf diesen geheimnisvollen Seiten stand, geschrieben von einer mächtigen grauen Eminenz, die bis zur Auffindung ihres Nachlasses anonym geblieben war. Sina hatte nur kurz geschildert, worum es sich bei den Manuskripten handelte, und schon hatte er die entsprechenden Empfehlungen im Postfach gehabt.
Wilhelm Meitner, der Institutsvorstand, war keineswegs begeistert von der Idee, Sina für das gesamte Sommersemester von seinem Lehrauftrag zu befreien. Am Ende jedoch musste auch er schließlich einsehen, dass diese Dokumente aufgearbeitet und publiziert werden sollten. Georgs Drohung, auch jederzeit die volle Projektdauer von 36 Monaten in Anspruch zu nehmen, wenn »Wilhelm der Streitbare« nicht mitspielen würde, hatte den Ausschlag gegeben. Sein väterlicher Freund hatte ihn mit einem angedeuteten Fußtritt aus seinem Büro befördert und grummelnd zugestimmt.
Sina legte den Akt mit dem unheimlichen Titel »Il Diavolo in Torino« vor sich auf den Tisch und schlug ihn auf.
Jauerling behauptete etwas Ungeheuerliches.
Stimmten die Erkenntnisse des Zwerges, wäre dies eine epochale Entdeckung. Der Leiter des Schwarzen Bureaus stellte nichts weniger in Aussicht als die Auffindung einer einzigartigen Reliquie. Sie könnte, nach Jahrhunderten der Wanderschaft quer durch ganz Europa, durch ihre bloße Existenz das Machtgefüge der Alten Welt ins Wanken bringen.
Wissenschaftliche Überprüfung war eine Sache, Veröffentlichung der Ergebnisse eine andere. Angesichts der Tragweite der Entdeckungen konnte man schnell als Verrückter abgestempelt werden, war die wissenschaftliche Karriere ruiniert.
Aber diese Entdeckung war es wert. Georgs Wissensdrang brannte in ihm wie ein unerbittliches Fieber. Er musste dieser unglaublichen Spur einfach nachgehen, selbst wenn all das nur das Hirngespinst eines kranken Mannes gewesen war.
Aber wer außer Historikern würde sich für so eine Geschichte schon interessieren? Keine Reliquie konnte in der modernen Welt noch echte Aufregung erzeugen. Vielleicht sorgte sie bei gutem Wind kurzfristig für ein Rauschen im Blätterwald. Der Kieferknochen von Johannes dem Täufer oder eine Locke aus dem Haupthaar des heiligen Nikodemus lockte niemanden mehr hinter dem Ofen hervor, diese Zeit war Vergangenheit, Geschichte. Und damit war sie ein Fall für Institute, Forschungsprojekte und Leute wie ihn.
Völlig ungefährlich.
Ein gutes Gefühl nach den haarsträubenden Erlebnissen der letzten beiden Jahre, die ihn mit den Geheimnissen Friedrichs III., gewissenlosen Ordensbrüdern, einer machtgierigen Adelsfamilie, Senfgasgranaten und politischen Fanatikern konfrontiert hatten. Sein Bedarf an nervenaufreibenden Erlebnissen war für die nächsten zweihundert Jahre gedeckt. Mehrfach war er dem Tod gerade noch im letzten Moment von der Schippe gesprungen. Aber der Sensenmann mähte gründlich, und rund um Sina waren Menschen gefallen wie reife Ähren. Begünstigt von Glück und Zufall, hatte er überlebt. Beides sollte man nicht überstrapazieren.
Aber da war Balthasar Jauerling… Georg legte die Hand auf die Mappe vor ihm. Das seltsame Vermächtnis dieses diabolischen Zwerges aus der Gruft unter dem Rennweg in Wien, die sie letzten Sommer entdeckt hatten, ließ ihn nicht los. War es wirklich nur Georgs unstillbarer Wissensdurst, seine stets unbefriedigte Neugier, oder war es etwas anderes? Möglicherweise sogar Hochmut, die selbstzerstörerische Sucht, sich selbst in jeder hoffnungslosen Lage zu behaupten, um sich als würdig zu erweisen für die unerklärlichen Mysterien des alten Raubtieres Geschichte? Georg begann zu lesen.
Die Seiten der Handschrift waren komplett durcheinandergewirbelt worden, als sie sich im letzten Jahr auf die Kalksteinplatten des Fußbodens der Wallfahrtskirche von Maria Laach ergossen hatten. Damals war es Tschak gewesen, der Paul und Georg auf das Zeichen im alten Kirchenboden aufmerksam gemacht hatte. Unter einer
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