Teufel - Thriller
und stand auf. »Das nächste Mal lassen Sie sich eine bessere Geschichte einfallen, wenn Sie jemanden auf die Schippe nehmen wollen.« Er wandte sich zum Gehen und trippelte los.
»Herr Maurer!« Die Stimme Bertuccis hatte einen Unterton, der den alten Mann zusammenfahren und stehen bleiben ließ. »Mir liegt nichts ferner, als Sie zum Narren zu halten. Ich habe den weiten Weg gemacht, um die Wahrheit zu finden. Die Wahrheit über ein Archiv, das die katholische Kirche seit zweihundert Jahren sucht, das gefährliche Dokumente enthält und das vielleicht im Zuge der letzten Kriegshandlungen nach Österreich gelangt ist. Ich scherze nicht, dazu ist das Thema viel zu brisant.«
Maurer drehte sich um. »Und was habe ich damit zu tun? Suchen Sie Ihr Archiv, finden Sie es, was geht mich das an?«
Er kam mit langsamen Schritten wieder zurück zur Bank. »Ich habe noch nie etwas davon gehört. Weder damals noch all die Jahre danach. War es das, was Sie wissen wollten? Das ist ein kleiner Weinbauort, bis zur Öffnung des Eisernen Vorhangs war das hier eine bitterarme Region. Seitdem geht es langsam aufwärts. Glauben Sie nicht, dass hier jeder alles zu Geld gemacht hätte, wenn er etwas gefunden hätte? Hier haben sich vierzig Jahre lang jeden Abend Fuchs und Hase gute Nacht gewünscht, Herr Kardinal, und man hat öfter Kerzen ausgeblasen als das elektrische Licht abgeschaltet…«
Bertucci klopfte mit der flachen Hand auf die Bank neben sich. »Setzen Sie sich doch wieder, so redet es sich leichter. Was war das für eine Geschichte mit dem zweiten Weinkeller von Markhoff?«
Maurer sah sein Gegenüber lange stumm an. Dann schüttelte er den Kopf. »Sie sind auf einer falschen Spur«, sagte er nur und setzte sich wieder. »Hier gab es vor dem Krieg jede Menge Keller. Einige verlassene, andere bereits verfallene, viele vergessene. Ich kann Ihnen Hohlwege zeigen, da waren früher Dutzende aus dem feuchten Sand herausgegrabene Kellerröhren. Heute sehen Sie dort gar nichts mehr außer Abhängen und hin und wieder eine Grube.«
Bertucci schwieg. Der alte Maurer blickte in die Ferne, verloren in den Tiefen seiner Erinnerung. »Das Geschenk an den gehorsamen Parteigenossen der ersten Stunde war nichts Besonderes«, setzte er leise fort, »die Partei hätte ihm noch fünf Keller schenken können.
Oder zehn. Wenn es sonst nichts gab, Keller gab es hier im Überfluss. Sie bedeuteten nur Arbeit und füllten sich nicht von alleine. Man ließ sie verfallen, oft waren sie ja nicht einmal ausgemauert. Der Sand rutschte nach, Teile stürzten ein. Manchmal fuhr ein Traktor über ein Feld, drückte dabei die Decke eines Kellers ein, man leerte Sand und Erde in die Grube, und wieder war ein Keller vergessen und verschwunden.«
Eine überraschend große Gruppe von asiatischen Radfahrern rollte vorbei, die sich suchend umsahen und dann in Richtung Wirtshaus und den schattigen Garten abdrehten.
»Sie haben ja gesehen, selbst zum Presshaus des Wiener Kommissars gehört ein sehr großer Keller. Auch leer.« Maurer grinste. »Ich kann mich nicht daran erinnern, den jemals voll gesehen zu haben. Markhoffs waren arm. Ich glaube, keiner von denen hat jemals einen Fuß in den zweiten Keller gesetzt. Wahrscheinlich wären nur Reparaturen angestanden.«
Maurer stieß mit dem Stock auf den Boden wie zur Bekräftigung.
»Dann kamen die Russen, und in den Wochen danach muss er dann zerstört worden sein. Kein Hahn hat danach gekräht. Die Erinnerung verblasst, die Alten sterben. Wenn der Kommissar den Koffer mit der Bescheinigung nicht gefunden hätte, dann wäre die alte Geschichte schon lange vergessen.«
Der alte Mann schnupperte. »Riecht nach Gulasch aus dem Gasthaus, geröstete Zwiebeln.« Er sah Bertucci an. »Wer hätte schon einen weiteren Keller gesucht, wo es doch Dutzende leere gab? Ich wüsste auch nicht mehr genau, wo der Markhoff-Keller einmal war. Irgendwo unter der Kirche. Sie dürfen nicht vergessen, dass es hier vor langer Zeit mehr als dreihundert Weinbaubetriebe gab. Heute sind noch knapp fünfzig davon übrig geblieben.«
Der Kardinal überlegte. »Gab es schwere Kämpfe hier zu Kriegsende?«, fragte er dann.
Maurer schüttelte den Kopf. »Nein, nur ein paar Gefechte, kaum der Rede wert. Aber glauben Sie mir, die Russen klauten wie die Raben, soffen wie die Pferde und waren hinter jedem Rock her. Wenn ein Keller zu Kriegsende noch nicht ganz leer war, dann war er es meist einige Wochen später. Und die Russen waren
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