Teufel - Thriller
eleganten Seidenanzugs ein wenig hoch und klopfte mit dem Stock gegen eine Unterschenkelprothese. Der metallische Klang ließ Barbara erschauern.
»Wir haben alle unser Kreuz zu tragen«, flüsterte er ihr zu. »Jeder muss nur lernen, einmal mehr aufzustehen, als er niedergefallen ist. Doch das Wichtigste im Leben ist, sich selbst treu zu bleiben. Wenn jemand von Ihnen etwas verlangt, was Sie nicht tun wollen, dann machen Sie es einfach nicht! Manchmal ist Warten die beste Option, sanft wie die Taube und schlau wie die Schlange im Gras.« Er zwinkerte ihr zu. »Wenn man nur lange genug warten kann, lösen sich viele Probleme wie von selbst, Sie werden sehen.« Er wandte sich zum Gehen, doch plötzlich drehte er sich noch einmal um und beugte sich zu der Nonne. »Auch Felsen werden eines Tages zu einem Staubkorn, das der Wind verweht. Vergleichen Sie das mit einem Leben. Wenn Sie Glück haben, dann sterben Ihre Widersacher einfach über Nacht. Alle, die Ihnen jetzt unbezwingbar erscheinen und Ihnen Angst machen, sind dann plötzlich weg… Tot und vergessen.« Er nickte ihr ermunternd zu. »Lassen Sie die Zeit für sich arbeiten, sie ist erbarmungslos, und niemand entkommt ihr…«
Dann verabschiedete er sich mit einem kurzen Winken, sah sich um und ging gut gelaunt und mit schwingendem Spazierstock davon. Der silberne Engel auf dem Knauf blitzte zwischen seinen sehnigen Fingern im Licht Hunderter Kerzen.
Alessandro Cavoretto redete und redete. Er schlenderte mit Georg und Paul durch die Fußgängerzone, auf dem Weg zum Königspalast, dem »Palazzo Reale« der Savoyer im Zentrum von Turin.
Wagner, der vorher eigentlich Schwester Barbara suchen gehen wollte, hatte sich von der Begeisterung des Malers anstecken lassen. Cavoretto wusste mehr über die Stadt am Fuße der Berge und ihre abenteuerliche Geschichte als jeder Fremdenführer. Warum also sein Angebot ausschlagen, die beiden Freunde durch Turin zu begleiten?
Georg Sina fiel es zunehmend schwer zu glauben, was der eigenartige Maler und Sammler okkulter Artefakte so alles erzählte. Mehr als nur unwahrscheinlich, geradezu hanebüchen, kamen ihm seine Berichte und Geschichten vor, die unzähligen Anekdoten und kleinen Tragödien, die sich hinter jedem Laubenbogen, jeder Fassade zu verstecken schienen. Nichtsdestotrotz, vieles deckte sich mit dem, was Bertucci erzählt und Jauerling aufgeschrieben hatte.
Tschak war das alles nur recht. Er schnüffelte zufrieden an den Hunderten Pfeilern der Arkaden, an den alten Hausecken und Laternen und genoss den langen Spaziergang.
»Und Sie meinen wirklich, dass es in Turin zwei magische Stadtteile gibt? Das kann ich mir nicht vorstellen…«, hörte Sina den Reporter sagen. Der ironische Unterton war kaum zu überhören.
»Ich meine nicht, Herr Wagner«, entgegnete der Maler schroff, »es ist so. Hier in Turin müssen Sie akzeptieren lernen, was Ihnen vielleicht höchst unwahrscheinlich vorkommt, ja unglaublich erscheint. Ich kann mir so vieles nicht vorstellen, Elektrizität zum Beispiel, die Signale der Handys, Magnetismus, und trotzdem…« Cavoretto sah Wagner spöttisch an. »Die Dinge, die Sie und ich nicht wissen, füllen ganze Bibliotheken…«
»Hier in dieser Stadt verläuft die Grenze zwischen der heiligen und der dämonischen Stadt exakt zwischen den beiden Figuren der Zwillinge Romulus und Remus auf dem Portal des Palazzo Reale, der wenige Meter von hier vor uns liegt«, erklärte Cavoretto im unverbindlichen Plauderton und stieß dabei mit der Schulter gegen einen alten, eleganten Herrn, der gerade die Stufen des Doms herabgeschritten war. Durch den Zusammenstoß stolperte der Maler in eine tiefe Wasserpfütze.
»Können Sie nicht aufpassen?«, herrschte er den Alten an.
Doch der hagere, große Mann reagierte nicht. Er nahm wortlos von einem asiatisch aussehenden Begleiter einen weißen Strohhut entgegen, setzte ihn auf und zog die Krempe tief ins Gesicht.
»Ich rede mit Ihnen!«, ereiferte sich Alessandro und wollte den Mann an der Schulter zurückhalten. »Meine Schuhe sind ruiniert!«
Der Asiate drehte sich sofort um, schlug Cavorettos Hand weg und stellte sich vor den alten Mann. Doch der hielt seinen Leibwächter mit einer sanften Handbewegung zurück und schüttelte den Kopf. Der Bodyguard nickte gehorsam und spannte einen Regenschirm auf, um ihn schützend über den alten Gentleman zu halten, der sich auf seinen Stock stützte und den Maler von oben bis unten betrachtete.
»Alles Erdreich ist
Weitere Kostenlose Bücher