Teufel - Thriller
die Erstarrung abzuschütteln.
Aber wo war Schwester Barbara?
Sina sah sich hastig um. Von der Nonne war weit und breit nichts zu sehen. Der Wissenschaftler wollte Cavoretto anstoßen, ihn aus seiner Andacht reißen, da geschah etwas Seltsames. Der Hohepriester unterbrach die Zeremonie mit einer abrupten Handbewegung, legte seine Finger ans Ohr.
»Brüder und Schwestern«, begann er mit einer mächtigen Stimme, die den ganzen Raum füllte, »ich erfahre gerade, dass wir einen außerordentlichen Besuch haben, eine Fügung, wie sie besser nicht sein könnte und die unseren Herrn Satanas mit Befriedigung erfüllen wird.« Er machte eine Pause. Die Partitur des Teufels wurde wieder lauter, aber es gelang ihm mühelos, mit seiner Stimme die Musik zu übertönen.
»Das Schicksal hat uns eine wahre Jungfrau Gottes beschert, eine Gemahlin Jesu, eine reine Seele.« Er tauchte die Finger in das Blut des Kelches und spritzte ein paar Tropfen in die Menge. Nun waren alle auf den Beinen, blickten erwartungsvoll zum Altar und dem Hohepriester. Das Raunen der Andächtigen schwoll an. Ihre Gesichter bekamen einen begeisterten, fanatischen Ausdruck.
»Unser Herr wird sich über das Geschenk ihrer Jungfräulichkeit freuen!«, donnerte der Priester und hob beide Hände hoch zu der Fratze, als zwei junge Männer, eine sich sträubende Schwester Barbara in ihrer Mitte, neben den Altar traten.
Die Menge heulte begeistert auf. Grinsend verfolgte Cavoretto das Schauspiel, lässig an eine der Säulen gelehnt.
»Sagen Sie ihnen, sie sollen aufhören«, zischte Paul in sein Ohr. Als sich der Maler spöttisch erkundigen wollte, wieso er das tun sollte, spürte er den kalten Stahl einer Waffe in seinem Ohr. »Sie können auch noch ein wenig warten und gleich zu Ihrem Fürsten der Finsternis ziehen. Vollpension in der Hölle für immer. Ist das nicht verlockend?«
An dem panischen Blick Cavorettos erkannte der Reporter, dass er das Angebot nicht wirklich zu schätzen wusste.
»Sagen Sie ihnen, dass sie die Schwester laufen lassen sollen. Sofort!«, forderte Wagner mit Nachdruck. Aber Sina war bereits auf dem Weg nach vorne zum Altar. Als sich der Hohepriester ihm in den Weg stellen wollte, holte der Wissenschaftler aus und beförderte ihn mit einem Faustschlag auf den Altar, wo er auf einer der beiden nackten Frauen landete, die laut aufschrie.
»Endlich ein authentisches Opfer«, rief Sina ihm nach, bevor er den staunenden jungen Männern Barbara aus den Händen riss und sie vor sich her durch die zurückweichenden Andächtigen stieß. »Laufen Sie, Schwester«, zischte er der völlig verdatterten jungen Frau zu, »die meinen es ernst hier.«
Als beide neben Paul standen, der noch immer seine Glock an Cavorettos Ohr hielt, hörten sie den Hohenpriester stöhnen. Die Menge bewegte sich drohend auf sie zu.
Kurz entschlossen feuerte Paul drei Mal in das Bild der Fratze über dem Altar. In dem engen Raum dröhnten die Schüsse wie Kanonenschläge.
Alle Köpfe fuhren herum.
Dann, wie einem unsichtbaren Befehl gehorchend, sanken alle auf die Knie.
Aus den Löchern auf dem Gemälde strömte Blut.
»Bringen Sie uns auf dem schnellsten Weg hier heraus, oder wir versuchen es auf eigene Faust, aber dann sind Sie mausetot, Cavoretto«, stieß Sina hervor, während in Barbaras Augen der pure Horror stand.
Wagner traute seinen Augen kaum und konnte seinen Blick nicht von dem blutenden Gemälde lösen. Georg schüttelte ihn. »Los jetzt, komm, in einer Minute ist hier der Teufel los!«
»Der ist jetzt schon los«, gab Paul zurück. Dann schob er Cavoretto vor sich her in den Gang, durch den sie gekommen waren. »Los, rennen Sie, wir sind dicht hinter Ihnen! Ich gebe Ihnen fünf Minuten, dann will ich klare Nachtluft atmen.«
Cavoretto zögerte, sah Wagner kurz an. Mit einem Misston brach in den Katakomben die Musik ab.
Der Reporter hob die Pistole.
»Grüßen Sie ihn von mir«, sagte er, doch da drehte sich Cavoretto plötzlich um und stürmte los.
Es dauerte nicht ganz fünf Minuten, bevor Sina, Wagner und Schwester Barbara hinter Cavoretto durch eine schmale Metalltür am Ufer des Pos traten. Der Regen hatte aufgehört, ein fahler Mond spiegelte sich im Fluss.
»Verschwinden Sie, Cavoretto«, stieß Wagner atemlos hervor. »Ich will Sie nie wieder sehen.«
Wortlos stolperte der Maler los, schaute unsicher über seine Schulter, rannte dann über den Corso Cairoli und verschwand in einer Nebengasse.
»Das… war… knapp«, murmelte
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