Teufel - Thriller
Sina, noch immer außer Atem. »Woher hattest du bloß die Pistole?«
»Hat mir Valerie aus ihrer Sporttasche mit auf den Weg gegeben«, antwortete Paul müde lächelnd. »Sicher ist sicher.«
»Wer mit dem Teufel pokert, sollte eine Rückversicherung dabeihaben«, nickte Georg. »Wir sollten nicht zu lange hier herumhängen, wer weiß, was der Teufelsgemeinde einfällt.« Er winkte einem vorbeifahrenden Taxi und nannte dem Fahrer den Namen des Hotels »Diplomatic«. Dann drehte er sich zu Paul und der Nonne um. »Morgen wird ausgeschlafen, ich bin erledigt. Vor Nachmittag braucht mich niemand anzusprechen. Von mir aus kann Tschak in die Duschwanne pinkeln.«
»Das sehe ich genauso«, gab Wagner seufzend zurück. Schwester Barbara hatte die Augen geschlossen, sich in die Polster zurückgelehnt und nickte nur stumm.
Der siebente Kreis –
… ENTLANG DES STRUDEL S
SCHARLACHROTER FLUT ,
DRAUS DAS GEKREISCH ERSCHOL L
VERMALEDEITER …
31.5.2010
Gasthof »Tre Galline«, Turin/Italien
I n der überfüllten Stube des ältesten Turiner Gasthofes unweit der Piazza della Repubblica war kein einziger Platz mehr frei. Touristen und Einheimische machten sich seit den frühen Abendstunden die wenigen Tische unter den dunklen Deckenbalken streitig – mit dem Erfolg, dass alle noch enger zusammenrücken mussten. Eine Handvoll Kellner servierte eifrig mit italienischer Nonchalance und Grandezza dampfende Teller gefüllt mit Spezialitäten der piemontesischen Küche.
Vor dem unscheinbaren Eingang des Lokals war die schmale Via Gian Franco Bellezia in ein dunkelblaues, fast mystisches Abendlicht getaucht. Die schwarzen Häuserwände schienen noch höher in den Himmel zu wachsen und weiter zusammenzurücken als sonst. Kurz nach 21.00 Uhr war die Sonne untergegangen, und kühle Luft strömte von den Bergen herunter. Gruppen von Männern in eleganten, dunklen Anzügen standen plaudernd auf der Gasse und genossen den Abend. Einige von ihnen hatten ihre langen, schwarzen Haare zu Pferdeschwänzen zusammengebunden, andere sogar zu Zöpfen geflochten. Ihre asiatischen Gesichtszüge kontrastierten mit den italienischen Maßanzügen, deren Schnitt geschickt die Schulterhalfter kaschierten.
Immer wieder betrachteten die Männer unauffällig, aber aufmerksam die Umgebung, musterten die Passanten, die sich in dichten Trauben an ihnen vorbeischoben, und warfen ab und zu einen Blick nach oben, wie um sich zu vergewissern, dass die Sterne über Turin auch heute wieder aufblitzen würden.
Die alten Kugellampen in der Gaststube tauchten die bunt gemischte Gesellschaft in ein gelbliches, heimeliges Licht. Unter die einheimischen Feinschmecker, die sich wie jeden Abend in dem Turiner Traditionslokal versammelt hatten, mischten sich vor allem im Sommer Urlauber und Durchreisende aus aller Herren Länder. Der Lautstärkepegel im »Tre Galline« war beeindruckend und auf gehobenem, italienischem Niveau.
Dagegen war das Extrazimmer mit der dunklen Eichentäfelung und dem großen Tisch eine Oase der Ruhe. Georg jedoch erschien es wie eine Sackgasse, eine Falle, aus der keiner von ihnen lebend entkommen würde. Nervös irrte sein Blick zwischen den drei zwölfarmigen Kerzenleuchtern auf dem weißen Tischtuch des großen Tisches, den flackernden Flammen, der Türe und dem kleinen Fenster mit den farbigen Butzenscheiben hin und her. Draußen zog die Nacht über Turin herauf. Die Geister der Vergangenheit saßen mit ihnen am Tisch, er konnte sie spüren. Das rote Wachs der tropfenden Kerzen glühte auf dem frisch gestärkten Leinen wie Blut.
Die Schatten wurden länger.
All das kam Sina unheimlich bekannt vor, wie ein Déjà-vu. Er war schon einmal hier im »Tre Galline« gewesen, damals, vor zweihundert Jahren, beim Lesen der blutroten Zeilen von Jauerlings Vermächtnis.
Sie hätten nicht hierherkommen dürfen, schoss es Sina durch den Kopf. Sie machten genau denselben Fehler wie der Leiter des Schwarzen Bureaus damals. Sie hatten dieselbe falsche Karte ausgespielt, am selben Ort, unter denselben Umständen, nur mit anderen Stichen. Eine weitere Runde Piquet war zu Ende gespielt, und das Deck wartete darauf, neu gemischt zu werden.
Völlig erschöpft von den Ereignissen des Vortages hatten Paul, Georg und Barbara bis in die späten Nachmittagsstunden geschlafen. Dann hatte es nur mehr einen Weg gegeben, den sie in Turin noch nicht gegangen waren – den auf Jauerlings Spuren.
Nein… es gab keine Alternative, und Balthasar Jauerling, der
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