Teufel - Thriller
selbst vorausgesehen. Im dreizehnten Kapitel nach Markus steht es geschrieben«, flüsterte Barbara mehr zu sich als zu den bei den anderen. »Wenn nun jemand zu jener Zeit zu euch sagen wird: › Siehe, hier ist der Christus! Sieh, da ist er! ‹ , so glaubt es nicht. Denn mancher falsche Christus und falsche Prophet wird sich erheben und Zeichen und Wunder tun, sodass sie auch die Auserwählten verfüh ren würden, wäre es möglich. Ihr aber, seht euch vor! Ich habe es euch alles zuvor gesagt!«
Paul blätterte abwesend in der Speisekarte und versuchte, die Nonne und die Leere in seinem Magen zu ignorieren, die ganz sicher nicht vom Hunger stammte.
Als Georg wieder hochblickte, schaute er direkt in den Lauf einer großkalibrigen Pistole, die leicht schwankte.
Die beiden älteren, unaufdringlich elegant gekleideten Herren, die einen kleinen Tisch in der hintersten Ecke des »Tre Galline« reserviert hatten und sich nun mit Hingabe einem fünfgängigen Menü widmeten, unterhielten sich angeregt. Von Zeit zu Zeit warfen sie einen Blick zur Tür, die ins Extrazimmer führte. Einer der beiden, ein hagerer Mann mit schmalem, asketischem Gesicht und einer ausgeprägten Hakennase, ergriff die schwere Gabel und spießte mit Nachdruck ein Cannellono auf. Das energische Kinn und die schmalen Lippen verrieten Entschlossenheit und Energie. Seine feingliedrigen Hände allerdings hätten einem Künstler oder Musiker gehören können, so zart waren sie.
Schließlich ergriff er das Glas mit dem schweren Barolo und prostete seinem Tischnachbarn zu, einem Asiaten mit massiger Figur und einer dichten Haarmähne. Ein rundes, leicht mongolisch angehauchtes Gesicht verriet seine Herkunft. Die dunklen, schräg stehenden Brauen über den fast schwarzen Augen ließen ihn stets ein wenig martialisch und schlecht gelaunt aussehen. Aber das täuschte. Das Alter hatte ihn milde gestimmt, und der Blick, den er nun über das Weinglas auf seinen Begleiter warf, war der eines sinnlichen Genießers, der den Barolo und die piemontesische Küche nur allzu gut zu schätzen wusste. Er erwiderte den Trinkspruch, dessen Bedeutung nur sie beide verstanden, geheimnisvoll lächelnd.
Als der Kellner mit einem leichten Kopfschütteln aus dem Extrazimmer gekommen war, hatten die beiden kurz aufgeblickt und sich dann wieder ihrer Mahlzeit gewidmet. Nur wer die alten Herren genau beobachtete, der hatte das Zeichen des hageren Mannes nicht übersehen können. Mit einer fast unmerklichen Bewegung des kleinen Fingers hatte er soeben eine Armee in Alarmbereitschaft versetzt.
»Paul, ziehen Sie Ihre Pistole mit zwei Fingern aus der Jacke und legen Sie sie vorsichtig auf den Tisch.« Die Stimme Barbaras war leise und zitterte leicht. Ihre tiefe Verzweiflung jedoch und ein aufkeimender blinder Hass sprachen aus jedem ihrer Worte.
Georg blickte nur stumm und unbeweglich auf die Waffe und in das blasse Gesicht der Klosterschwester, die ihn nicht aus den Augen ließ. Sein Freund würde keine falsche Bewegung machen, das wusste er, darauf konnte er sich verlassen. Aber eine zu allem entschlossene, verzweifelte Nonne war jetzt ein Risiko, das unberechenbar war.
Als Paul seine Glock vorsichtig auf den Tisch gleiten ließ, wischte sie Barbara entschieden mit einer weiten Armbewegung vom Tisch. Rumpelnd fiel die Waffe auf den Holzboden und schlitterte ins Dunkel.
»Ihr wisst ja gar nicht, was ihr getan habt«, stieß sie hervor und sprang auf. Ihre Pistole schwankte zwischen Paul und Georg hin und her. »Mit einer Ignoranz und einer Naivität ohnegleichen seid ihr in ein Abenteuer hineingestolpert, das weit über euren Horizont hinausgeht. Hartnäckig wie immer habt ihr nicht aufgegeben…«
»Das gehört nicht zu unseren Optionen«, unterbrach sie Paul aufgeregt. »Wenn die Wahrheit auf dem Spiel steht, dann hat sie in uns die besten Verbündeten.«
Barbara schaute ihn hasserfüllt an. »Ihr habt Milliarden Christen die Grundlage ihrer Religion entzogen. Jesus ist tot, und jeder kann sein Grab besuchen! Eine Legende weniger und dafür ein Abenteuer für Wagner und Sina mehr! Was macht das schon? Ich habe meinen Glauben verloren, meine Welt, mein Ein und Alles, mein Gestern und mein Morgen. Und ihr, ihr geht in ein italienisches Restaurant essen und glaubt, alles ist gut?«
Paul und Georg sahen sich stumm an. Dann stand Sina ruhig auf und lehnte sich vor.
»Falsch! Glauben Sie wirklich, wir sind zufällig hier gelandet? Nach dieser Reise durch Europa war uns doch
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