Teufel - Thriller
beendet hatte. Mit einem Mal sprang die Tür auf und der Advocatus Angeli stand im Raum, wollte das kleine Schild von der Klinke entfernen und erblickte dabei seinen Freund. Ein Lächeln überzog das gefurchte Gesicht des hageren, großen Mannes, der gleich alt wie Bertucci war und doch zehn Jahre älter aussah. Sein volles, schlohweißes Haar, seine Hakennase und das spitze Gesicht verliehen Rossotti das Aussehen eines alten Habichts. Eines bösen alten Habichts, wenn man die durchdringenden Augen und die zusammengepressten Lippen in das Bild mit einbezog. Doch das Äußere täuschte. Der Archivar war trotz seiner spitzen Zunge die Güte in Person.
»Wir geben keine Auskünfte an den Teufel«, grinste Rossotti und breitete die Arme aus, um seinen Freund zu begrüßen.
»Ich glaube kaum, dass du etwas in diesen Mauern hast, das er noch nicht kennt«, gab Bertucci ironisch zurück. »Ich an deiner Stelle würde ihn einstellen. Er weiß nämlich auch, wo was steht. Du weißt ja, allwissend ist er zwar nicht, doch es ist ihm viel bewusst…«
»Dann käme er gerade recht«, erwiderte Rossotti und legte den Arm um die Schultern seines Freundes, den er um zwei Köpfe überragte. »Der Geheimdienst war gerade bei mir und wollte Auskünfte über Dinge, von denen ich keine Ahnung habe.«
Bertucci stockte und sah die Verwirrung in den Augen des Archivleiters. » › Pro Deo ‹ war hier? Etwa Scaglietti und Bertani?«
Hier ist nichts und niemand jemals sicher …, flüsterte hartnäckig eine Stimme in seinem Kopf.
Rossotti schaute ihn überrascht an. »Bist du Hellseher, Paolo? Oder hast du bessere Verbindungen zu deinem Chef als ich zu meinem?« Er schob seinen Freund in das große Büro mit der riesigen barocken Sitzgarnitur in Gold und Scharlachrot, zu der ein moderner, unaufgeräumter Schreibtisch aus Glas und dem Chromvolumen eines amerikanischen Straßenkreuzers aus den 60er-Jahren kontrastierte. Genau dahin steuerte auch Rossotti und zog den Advocatus Diaboli mit sich.
»Setz dich lieber hierher auf den Besucherfauteuil, Paolo. In den Polstern dieses scharlachroten Monstrums geht man unter und taucht nie wieder auf. Etwas für verweichlichte Kardinalsär…«
»Psch…!«, unterbrach ihn Bertucci kopfschüttelnd.
»Ist schon gut«, seufzte Rossotti und ließ sich in seinen Drehsessel fallen. »Diese Typen von Pro Deo glauben auch, sie bräuchten nur mit den Fingern zu schnippen und schon melden sich die Akten von selbst und springen aus den Regalen. Ich hab ihnen meinen Sekretär mitgegeben, den armen Luigi. Jetzt schauen sie mit ihm die Indizes durch. Aber ich glaube kaum, dass sie etwas finden werden.«
»Verrätst du mir, was sie eigentlich bei dir wollten?«
»Ich mag diese Figuren nicht«, stellte Rossotti fest, stützte sich mit den Ellenbogen auf die Glasplatte und legte die Fingerspitzen zusammen. »Sie sagen nichts und wollen alles wissen.« Er sah seinen Freund durchdringend an. »Und was ihren Ruf betrifft, so würde ich die ganze Truppe lieber weit weg vom Vatikan sehen als in diesen Mauern.«
»Der Heilige Vater hat sie vor Kurzem empfangen, knapp vor der Unterredung, aus der ich gerade komme«, meinte Bertucci nachdenklich und fuhr sich mit der flachen Hand über seinen kahlen Kopf. »Ich frage mich, was für einen Auftrag er ihnen erteilt hat.«
»Oder sie haben ihm einen erteilt«, gab der Archivar mit einer vor Zynismus triefenden Stimme zurück. »Darf ich dich an den › Bankier Gottes ‹ , einen gewissen Licio Gelli, unter der Blackfriars Bridge in London erinnern und an die Schlinge um seinen Hals? Am Tag, an dem seine Leiche in England gefunden wurde, stürzte seine Sekretärin in Mailand aus dem Fenster der Bank in den Tod. Zufall? Eine Woche vor seinem Ableben soll Gelli gesagt haben, › Wenn mir etwas zustößt, muss der Papst zurücktreten ‹ . Manchmal frage ich mich, wer hier ausführt und wer im Vatikan eigentlich regiert…«
»Also noch mal, Michele. Was wollten sie?«, unterbrach ihn Bertucci ungeduldig und lehnte sich vor.
»Sie haben kryptische Ansagen gemacht und hatten vor allem eines nicht – Zeit.« Rossotti kramte unwillig auf seinem Schreibtisch und suchte einen kleinen Zettel, der mit einigen Zeilen grüner Tinte bekritzelt war. Dann las er vor. »Sie suchen die Aufzeichnungen einer byzantinischen Prinzessin, eines Neffen des vatikanischen Präfekten und eines österreichischen Zwerges.«
»Wie bitte?« Bertucci war völlig verblüfft. Davon hatte der Papst
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