Teufel - Thriller
Fuhrmann, sprang vom Kutschbock und zog die Tür auf. Dann klappte er die Stufen für seinen Gast aus. »Ihr müsst wissen, Exzellenz, niemand kommt mehr freiwillig hierher. Darum sind die Straßen auch so schlecht.«
»Und der Fahrpreis so teuer«, schimpfte Jauerling, sprang aus dem Fond und versank fast knöcheltief in eiskaltem Schlamm. »So eine Sauerei…«, zischte er, während der Kutscher ungerührt einen Mariatheresientaler in seinen Säckel steckte.
Misstrauisch blickte Jauerling sich um. Sieht doch eigentlich ganz normal aus, entschied er und zuckte zusammen, als eine Stimme hinter ihm ertönte.
»Monsieur Jauerling, kommen Sie besser hierher zu mir!«, sagte jemand auf Französisch, und als Jauerling sich umdrehte, erblickte er einen Abbé mit weißen, halblangen Haaren, schwarzer Kappe und schwarzem Habit. Den Gesichtszügen nach zu urteilen war er gerade einmal um die vierzig Jahre alt, aber seine Augen und Haare waren die eines Greises. Der Geistliche schritt die Stufen der barocken Kirche herunter und wartete am Fuß der Treppe auf seinen Besucher.
»Es geschehen noch Zeichen und Wunder…«, rief Jauerling beim Anblick des Jesuiten aus. »Louis Ferrand! Und ich war mir sicher, keine von euch schwarzen Krähen jemals wiederzusehen. Nun, so kann man sich täuschen.« Er klemmte seinen Stock unter die Achsel, zog die Füße aus dem Schlamm und ging auf den Priester zu. »Täusche ich mich jetzt, oder ist mir vor mehr als zwei Jahrzehnten etwas Falsches berichtet worden?« Der Zwerg legte den Kopf etwas zur Seite und lauerte auf eine Regung im faltigen Gesicht des Geistlichen. »Hat Papst Clemens XIV. etwa doch nicht Eure tapfere Gesellschaft Christi verboten, um dafür ein paar Ländereien zurückzubekommen?«
»Ihr irrt Euch nie, Monsieur Jauerling.« Der Mund des Jesuiten verzog sich zu einem dünnen Lächeln. »Und Eure Agenten haben sich wohlweislich gehütet, Euch falsch zu informieren. Allerdings können weder Preußen, Russland noch die Kirche auf unsere Dienste verzichten.« Er neigte seinen Kopf zu Jauerling. »Wo es den anderen an Disziplin fehlt, schließen wir die Reihen.«
»Die eiserne Reserve«, bemerkte der Zwerg ironisch. »Im Geheimen aufgespart für den Ernstfall. Sehr weise.«
»Ein Schicksal, das wir teilen«, lächelte Abbé Ferrand. »Was hat Euch veranlasst, hierherzukommen? Ich habe Euer Schreiben erhalten und war erstaunt.«
Jauerling nahm eine Prise Schnupftabak, dann fixierte er Ferrand und flüsterte: »Mon cher Ferrand, ich hatte den Verdacht, dass die Leitraben noch fröhlich herumflattern, während man Eure Schutzbefohlenen und Priester entweder in Ketten gelegt oder umgebracht hat. Aber vor allem, dass die verbliebenen Zisterzienser aus diesem verfluchten Kloster in eine Eurer Einrichtungen verbracht worden sind, machte mich neugierig…«
»Was in den Kolonien geschehen ist, Monsieur Jauerling, stimmt mich untröstlich. Diese Erlebnisse haben meinem Leben jede Farbe genommen.« Der Jesuit machte ein ehrlich betroffenes Gesicht. »Aber mir waren die Hände gebunden. Im wahrsten Sinne des Worte.« Er hob beide Arme, lüpfte die Ärmel und zeigte dem Zwerg seine nackten, vernarbten Handgelenke. »Geht es Euch nicht genauso?«
»Wie wahr…« Der Zwerg spuckte verächtlich aus. »Aber den Kerker habt ihr mir voraus. Ich sehne mich nach der Zeit, als unser Kaiser noch lebte.«
»Meinen König haben die Revolutionäre in die Bastille gesperrt.« Ferrand öffnete die Türe zur Kirche und lud Jauerling mit einer knappen Handbewegung ein, ihm zu folgen.
»Seine Königin, die kleine Schwester des Kaisers, ebenso!« Der Zwerg schüttelte bedauernd den Kopf. »Und der Dauphin ist spurlos verschwunden. Elendes Gesindel! Ich verachte die Jakobiner und diesen wütenden Pöbel genauso, wie ich die Kirche verachte. Gebt Euch also keinen Illusionen hin, die meine Person betreffen.«
»Das würde ich niemals, Monsieur Jauerling«, antwortete Louis Ferrand süffisant. »Ich kenne Euch nun doch schon etwas länger.«
Aus dem leeren Innenraum der Kirche schallten Stimmen und der Lärm von Bauarbeiten. Neugierig trat Jauerling näher und bemerkte erst jetzt, welche Geschäftigkeit in den verwaisten Mauern herrschte. Dutzende Arbeiter waren am Werk, hie und da überwachten Jesuiten mit strengen Mienen den Fortschritt der Renovierungen.
Vermummte Knechte trugen an Jauerling vorbei Bahren nach draußen, über die Tücher gebreitet waren und so den Blick darauf
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