Teufel - Thriller
in die sich Joseph II. nur eine Stunde hatte einsperren lassen, um dann in komplett durchnässter Uniform und vor Kälte schlotternd jede Haft unter solchen Bedingungen verbieten zu lassen. Der Kaiser hatte auch die Folter untersagt und viele andere Unmenschlichkeiten, nachdem er sie sich persönlich besehen hatte. Und er, Jauerling, war dabei immer an seiner Seite gewesen. Balthasar Jauerling, die rechte Hand des Teufels und die dunkle Seite der Macht.
Er kannte alle Abgründe der Seele.
Was also sollte ihm dieser Jesuit noch präsentieren können?
Jauerling trippelte Ferrand hinterher. Die Krypta unter der Klosterkirche war bereits komplett leer, aller Verputz von den Wänden abgeschlagen. Feucht und nackt lagen die Gewölbe im Halbdunkel, es roch nach Mörtel und nassen Ziegeln. Fackeln und Kerzenleuchter spendeten ein flackerndes Licht. Die Leichen, die gelegentlich auf den Bahren an ihm vorbeigetragen wurden, beeindruckten ihn nicht. Dergleichen hatte er schon zu oft erlebt.
»Also, wo ist das Schauerliche, das ihr mir versprochen habt?«, fragte er schließlich und stützte sich schwer auf seinen Stock. »Das Einzige, was mich hier befallen könnte, ist kein Schrecken, sondern eine trübselige Fäulnis. Und die kann ich auch in meinem Weinkeller daheim in Nussdorf haben.«
Der Abbé lächelte verschmitzt. »Auch wenn es so aussieht, das ist nicht die Krypta, Monsieur. Nicht die richtige, meine ich.« Er nahm eine Fackel von der Wand und beleuchtete eine verborgene Treppe zu einem Gelass eine Ebene tiefer. »Da unten ist, was Ihr zu finden begehrt. Aber um dorthin zu gelangen, brauchen wir einen wirksamen Beistand. Bruder Anselmo, wenn Ihr so freundlich wäret, uns zu begleiten?«
Erst jetzt bemerkte Jauerling den zusammengekauerten, verwahrlosten Mann, der in einem dunklen Winkel hockte und stumpfsinnig vor sich hin starrte. Als er seinen Namen hörte, zuckte er zusammen und hob reflexartig die Hände vor sein Gesicht. Dann hob er vorsichtig den Kopf und drehte ihn suchend in alle Richtungen.
»Bruder Anselmo!«, forderte Ferrand streng. »Du weißt, was du zu tun hast.«
»Si, Signore, wie Ihr wünscht.« Anselmo rappelte sich hoch. Seine blicklosen Augen irrten herum, ein dünner Faden Speichel tropfte aus seinem Mundwinkel. Er trug die schwarz-weiße Kutte des Zisterzienserordens, die vor Schmutz und Dreck grau geworden war. Dann tastete er sich langsam zu den Stufen, die nach unten führten.
»Ist er blind?«, fragte Jauerling.
»Wir wissen es nicht. Vor Monaten haben wir ihn so vorgefunden und ihn wieder mit Suppe und Brot aufgepäppelt. Er will nicht hinaus, geht nie unter Menschen. Er lebt in der Dunkelheit.«
In diesem Moment erklang Musik.
Jauerling traute seinen Ohren nicht, aber er vernahm ganz deutlich das Spiel einer Orgel.
»Jetzt können wir Anselmo folgen, er hat alles für uns vorbereitet«, murmelte der Abbé und stieg die schmale Treppe hinunter. »Passt auf, Monsieur. Die Steine sind feucht und rutschig! Nicht, dass Ihr stürzt. Euer Fall wäre tiefer, als Ihr denkt…«
Jauerling hatte plötzlich das Gefühl, dass ihn etwas Kaltes streifte. Die Kerzen in der Krypta flackerten. Der Zwerg streckte seinen Stock tastend vor und folgte Ferrand in die Tiefe.
Via Silla, Rom/Italien
D as große Appartement von Kardinal Paolo Bertucci lag im ersten Stock, in der sogenannten »Beletage« eines gediegenen Wohnhauses in der Via Silla, keine fünfhundert Meter von den Gärten des Vatikans entfernt. Vor den hohen Fenstern der Eckwohnung standen ausladende, hochgewachsene Linden, deren Zweige das Licht filterten und so einen Eindruck von sauberer, grüner Umgebung inmitten der Millionenmetropole Rom verbreiteten.
Bertucci wohnte gerne hier.
Das in Terrakottafarben gestrichene Haus war eine Welt für sich, deren Intimität er genoss. Es gab einen Uhrmacher, der sich um seine kleine, aber feine Sammlung von Armbanduhren kümmerte, einen Reparaturbetrieb, der sich der Vespa des Kardinals annahm, einen Schuhmacher, der im gesamten Vatikan für seine Slipper aus Lammleder bekannt war, und das Restaurant »Il Matriciano«, das direkt unter Bertuccis Wohnzimmer lag. Außerdem gab es eine Garage, in der Bertucci seinen selten bewegten schwarzen Lancia Thesis parkte. Die Vespa war in der Stadt schneller und praktischer, in den Vatikan ging der Kardinal meist zu Fuß und weitere Strecken legte er sowieso mit dem Flugzeug zurück.
Alles in allem wohnte er an einem perfekten Ort, fand der Advocatus
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