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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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mir eben gestohlen«, stöhnte Korotkow. »Gestohlen, Genosse. Ein junger Mann mit Schnurrbärtchen war’s.«
    »Mit Schnurrbärtchen? Das war bestimmt Kolobkow. Ganz sicher war er’s. Er arbeitet speziell in unserm Bezirk. Den kannste jetzt in den Teestuben suchen.«
    »Genosse, das kann ich nicht«, sagte Korotkow weinend. »Ich muß in den Streichmat zu Unterhoser. Lassen Sie mich.«
    »Bring mir ’ne Bescheinigung, daß sie dich bestohlen hab en.«
    »Von wem?«
    »Vom Hausverwalter.«
    Korotkow verließ die Vortreppe und lief die Straße zurück.
    Zum Streichmat oder zum Hausverwalter? überlegte er. Der Hausverwalter hat nur morgens Sprechstunde, also zum Streichmat. In diesem Moment schlug eine ferne Uhr an einem roten Turm viermal, und sofort spien sämtliche Türen Leute mit Aktentaschen aus. Die Dämmerung brach herein, spärliche nasse Schneeflocken rieselten vom Himmel.
    Zu spät, dachte Korotkow, nach Hause.

6 Die erste Nacht
    Im Bügel des Vorhängeschlosses steckte ein weißer Zettel. Korotkow las ihn im Dämmerlicht.
     
    »Geehrter Nachbar!
    Ich fahre zu meiner Mutter nach Swenigorod. Meinen Wein lasse ich Ihnen als Geschenk. Trinken Sie ihn auf Ihr Wohl, niemand will ihn kaufen. Er steht in der Ecke.
    Ihre A. Paikowa.«
     
    Korotkow schloß mit schiefem Lächeln klirrend auf, schleppte in zwanzig Gängen die Flaschen aus der Korridorecke in sein Zimmer, entzündete die Lampe und warf sich mit Mütze und Mantel aufs Bett. Wie verzaubert blickte er eine halbe Stunde lang auf das Cromwell-Porträt, das in der dichten Dämmerung verschwamm, dann sprang er auf und verfiel plötzlich einem Anfall stürmischen Charakters: riß sich die Mütze vom Kopf, schleuderte sie in die Ecke, fegte mit einer Armbewegung sämtliche Streichholzpackungen zu Boden und trampelte darauf herum.
    »Da! Da! Da!« heulte er und zertrat knirschend die verteufelten Schachteln, trüb wähnend, er zertrample Unterhosers Kopf.
    Bei der Erinnerung an den Eierkopf kam ihm plötzlich der Gedanke an das rasierte und an das bärtige Gesicht, und da hielt er inne.
    »Moment mal, wie ist denn das?« flüsterte er und wischte sich über die Augen. »Wie ist denn das? Was stehe ich denn hier und treibe Blödsinn, wo doch alles entsetzlich ist? Sollte es den wirklich doppelt geben?«
    Durch die Fenster kroch Angst ins Zimmer, und Korotkow zog, bemüht, nicht hineinzuschauen, die Gardinen vor. Aber davon wurde ihm nicht leichter. Das doppelte Gesicht, bald mit einem Bart bewachsen, bald plötzlich glatt rasiert, schwebte von Zeit zu Zeit aus den Winkeln und funkelte mit grünlichen Augen. Schließlich ertrug es Korotkow nicht mehr, und da er das Gefühl hatte, sein Gehirn wolle vor Anspannung zerspringen, brach er in leises Weinen aus.
    Nachdem er sich ausgeweint hatte, fühlte er sich erleichtert und aß glitschige Kartoffeln vom Vortag, dann kehrte er zu dem verfluchten Rätsel zurück und weinte ein wenig.
    »Moment mal«, murmelte er plötzlich. »Warum weine ich eigentlich, wo ich doch Wein habe?«
    Er stürzte ein halbes Teeglas voll herunter. Die süße Flüssigkeit wirkte binnen fünf Minuten – qualvoller Schmerz durchbohrte die linke Schläfe, und brennender, würgender Durst stellte sich ein. Nachdem Korotkow drei Glas Wasser getrunken hatte, ließ der Schmerz in der Schläfe ihn Unterhoser gänzlich vergessen. Stöhnend riß er sich die Oberkleidung vom Leibe und warfsich, mit den Augen rollend, aufs Bett. Pyramidon müßt ich nehmen, flüsterte er noch lange, bis ein verworrener Schlaf sich seiner erbarmte.

7 Die Orgel und der Kater
    Am nächsten Morgen um zehn brühte sich Korotkow hastig Tee, trank ohne Genuß ein viertel Glas, verließ in dem Gefühl, einen schwierigen Tag mit viel Laufereien vor sich zu haben, sein Zimmer und überquerte den neblig nassen Asphalthof. An der Tür des Seitenflügels stand »Hausverwalter«. Korotkows Hand griff schon nach dem Klingelknopf, doch dann lasen seine Augen: »Wegen Todesfall werden keine Bescheinigungen ausgestellt.«
    »Ach, du meine Güte«, rief er ärgerlich. »Was ist das für ein Pech auf Schritt und Tritt.« Und er fügte hinzu: »Nun, machen wir das eben später mit den Papieren, jetzt erst mal zum Streichmat. Ich muß rauskriegen, was Sache ist. Vielleicht ist Tschekuschin schon wieder da.«
    Zu Fuß, da auch all sein Geld gestohlen war, erreichte Korotkow den Streichmat, durchschritt das Vestibül und lenkte seine Füße spornstreichs in die Kanzlei. Auf der Schwelle

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