Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
Tode einen bösartigen Ausdruck. »Das ist doch ungeheuerlich!«
Viertes Kapitel
Die Popenfrau Drosdowa
Gott allein weiß, ob Iwanow schuld war oder ob es daran lag, daß Sensationsnachrichten sich von selbst durch die Luft verbreiten, jedenfalls waren der Strahl und Professor Persikow in dem gigantischen brodelnden Moskau plötzlich im Gespräch. Zugegeben, beiläufig und sehr nebelhaft. Die Kunde von der wundertätigen Entdeckung hüpfte wie ein angeschossener Vogel durch die lichterstrahlende Hauptstadt, verstummte wieder, flackerte erneut auf, und so ging es bis Mitte Juli, da erschien auf Seite zwanzig der Zeitung »Iswestija« unter der Überschrift »Neues aus Wissenschaft und Technik« eine kurze Notiz über den Strahl. Mit dürren Worten wurde gesagt, daß ein bekannter Professor von der IV. Universität einen Strahl erfunden habe, der die Lebenstätigkeit niederer Organismen unwahrscheinlich steigere, und daß dieser Strahl noch der Überprüfung bedürfe. Der Name des Professors war selbstverständlich verdruckt und lautete: Pewsikow.
Iwanow brachte Persikow die Zeitung und zeigte ihm die Notiz.
»Pewsikow«, knurrte Persikow, der in seinem Arbeitszimmer mit dem Gehäuse hantierte, »woher diese Windbeutel das bloß alles wissen!«
Leider bewahrte der verstümmelte Name den Professor nicht vor weiteren Ereignissen. Sie begannen schon tags darauf und vergällten ihm fortan das Leben.
Pankrat, nachdem er geklopft hatte, trat ein und händigte Persikow ein prachtvolles glänzendweißes Visitenkärtchen aus.
»Er is draußen«, fügte er zaghaft hinzu.
Auf dem Kärtchen stand mit eleganter Schrift gedruckt:
ALFRED ARKADJEWITSCH BRONSKI
Mitarbeiter der Moskauer Zeitschriften
»Rotes Flämmchen«, »Roter Pfeffer«, »Rote
Zeitschrift«, »Roter Scheinwerfer« sowie der
Zeitung »Rotes Moskau am Abend«
»Jag ihn zum Teufel«, sagte Persikow trocken und fegte das Kärtchen unter den Tisch.
Pankrat ging, doch fünf Minuten später kehrte er mit Leidensmiene und mit einem zweiten Exemplar des Kärtchens zurück.
»Was ist, willst du dich über mich lustig machen?« knirschte Persikow wutschäumend.
»Der Herr sagen, von der GePeU«, entgegnete Pankrat bleich.
Persikow schnappte mit einer Hand das Kärtchen, wobei er es fast mittendurch riß, und warf mit der anderen die Pinzette auf den Tisch. Auf dem Kärtchen stand jetzt zusätzlich in krauser Handschrift: »Ich bitte vielmals, mich zu entschuldigen und zu empfangen, sehr geehrter Professor, für drei Minuten in einer gesellschaftlichen Presseangelegenheit. Auch Mitarbeiter der satirischen Zeitschrift ›Roter Rabe‹, herausgegeben von der GPU.«
»Hol ihn rein«, sagte Persikow, dem die Luft knapp wurde.
Sofort tauchte hinter Pankrats Rücken ein junger Mann mit glattrasiertem feistem Gesicht hervor. Verblüffenderweise waren seine Augenbrauen ewig hochgezogen wie bei einem Chinesen, und die achatfarbenen Äuglein darunter sahen dem Gesprächspartner nie in die Augen. Gekleidet war der junge Mann makellos modisch: schmales, knielanges Jackett, überweite Schlaghosen und unnatürlich breite Lackschuhe, deren Spitzen wie Pferdehufe aussahen. In den Händen hielt er einen Rohrstock, einen spitzen Hut und ein Notizbuch.
»Was wünschen Sie?« fragte Persikow mit einer Stimme, daß Pankrat zur Tür hinauswutschte. »Man hat Ihnen doch gesagt, daß ich beschäftigt bin.«
Statt einer Antwort machte der junge Mann dem Professor zwei Verbeugungen, nach links und nach rechts verkantet, dann flitzten seine Äuglein rings durchs Arbeitszimmer, und schon hatte er in seinem Notizbuch einen Schnörkel gemalt.
»Ich bin beschäftigt«, sagte der Professor mit einem angewiderten Blick in die Äuglein seines Gastes, der jedoch keinerlei Wirkung hervorbrachte, denn die Äuglein waren ungreifbar.
»Ich bitte tausendmal um Vergebung, hochverehrter Professor«, sprach der junge Mann mit zarter Stimme, »daß ich bei Ihnen eindringe und Ihnen Ihre kostbare Zeit stehle, aber das Aufsehen, das die Nachricht von Ihrer Entdeckung in aller Welt erregt, nötigt unsere Zeitschrift, Sie um einige Erklärungen zu bitten.«
»Was denn für Erklärungen in aller Welt?« wimmerte Persikow und ergilbte. »Ich bin nicht verpflichtet, Ihnen Erklärungen oder sonstwas abzugeben. Ich bin beschäftigt, schrecklich beschäftigt.«
»Woran arbeiten Sie?« fragte der junge Mann süßlich und malte den zweiten Schnörkel ins Notizbuch.
»Ich? Was haben Sie vor? Wollen Sie etwa
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