Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
wie ein rastloser Säufer aus der Bierschwemme, ein zerrupfter magerer Hahn aus dem Hühnerstall getorkelt. Er starrte die beiden Frauen wild an, trat von einem Fuß auf den anderen, spreizte die Flüchten wie ein Adler, flog jedoch nicht weg, sondern rannte rund um den Hof wie ein Gaul an der Longe. Bei der dritten Runde blieb er stehen, ihm wurde übel, er rülpste und krächzte, spie Blutflecke um sich, fiel dann auf den Rücken, und seine Beine reckten sich gen Himmel wie Masten. Frauengeheul gellte über den Hof. Aus den Hühnerhäuschen antwortete unruhiges Gekakel und Flügelschlagen.
»Na, etwa nicht verhext?« sagte die Besucherin triumphierend. »Du mußt Vater Sergi holen, damit er einen Gottesdienst für sie abhält.«
Um sechs Uhr abends, als die Sonne wie ein feuriges Prallgesicht tief zwischen den Prallgesichtern der jungen Sonnenblumen stand, kroch auf dem Hühnerhof der Domgeistliche Vater Sergi, der die Andacht beendet hatte, aus seinem Ornat. Neugierige Menschenköpfe überragten den uralten Zaun und äugten durch seine Ritzen. Die gramgebeugte Popenwitwe, nachdem sie das Kreuz geküßt, netzte einen kanariengelben, zerrissenen Rubelschein reichlich mit Tränen und händigte ihn sodann Vater Sergi aus, worauf dieser seufzend eine Bemerkung fallenließ, daß der Herr uns offenkundig zürne. Dabei setzte er eine Miene auf, als wisse er ganz genau, warum der Herr zürne, wolle es aber nicht sagen.
Die Menschenmenge auf der Straße zerstreute sich alsdann, und da Hühner bekanntlich früh zur Ruhe gehen, wußte niemand, daß im Hühnerstall beim Nachbarn der Popenwitwe gleich drei Hühner und ein Hahn auf einmal krepierten. Sie hatten sich ebenso erbrochen wie die Hühner der Drosdowa, aber ihr Tod im verschlossenen Hühnerstall trat unauffällig ein. Der Hahn fiel kopfüber von der Stange und verschied in dieser Position. Was die Hühner der Witwe betrifft, so verreckten sie gleich nach der Andacht. Gegen Abend war es in den Ställen totenstill, und das Federvieh lag starr und steif zuhauf.
Am nächsten Tag war die Stadt wie vom Donner gerührt, denn die Geschichte hatte sonderbare, ungeheuerliche Ausmaße angenommen. In der Personalstraße waren bis Mittag nur noch drei Hühner am Leben, und zwar im letzten Häuschen, wo der Kreisfinanzinspektor Wohnung genommen hatte, doch auch sie krepierten bis ein Uhr. Gegen Abend summte und brodelte es in dem Städtchen Steklowsk wie in einem Bienenstock, und das schreckliche Wort »Seuche« machte die Runde. Der Name Drosdowa erschien im Lokalblatt »Roter Kämpfer« in einem Artikel mit der Überschrift »Hühnerpest etwa?« und flog von hier nach Moskau.
Das Leben Professor Persikows nahm eine seltsame, unruhige und aufregende Färbung an. In solcher Atmosphäre zu arbeiten war schlicht unmöglich. Am Tag, nachdem er Alfred Bronski abgewimmelt hatte, mußte er in seinem Zimmer im Institut das Telephon stillegen, indem er den Hörer daneben legte, und als er am Abend mit der Straßenbahn durch den Ochotny Rjad fuhr, erblickte er auf dem Dach des riesigen Hauses mit der schwarzen Aufschrift »Arbeiterzeitung« sich selbst. Grünlich flimmernd und zwinkernd auf dem hellen Leuchtschirm oben, stieg er in das Taxi, gefolgt von dem an seinen Ärmel geklammerten mechanischen Dickwanst im Deckenstoff, und hielt sich die Fäuste vors Gesicht, um sich vor dem violetten Lichtblitz zu schützen. Es folgte die Schrift: »Professor Persikow gibt im Auto unserm berühmten Reporter Kapitän Stepanow eine Erklärung ab.« Und wirklich: Vorbei an der Erlöserkirche sauste das flimmernde Automobil die Wolchonka herunter, darin zappelte der Professor mit dem Gesicht eines gehetzten Wolfs.
»Satansbraten sind das, keine Menschen«, murmelte der Zoologe durch die Zähne, dann war er daran vorbei.
Als er am selben Abend seine Wohnung in der Pretschistenka betrat, erhielt er von seiner Wirtschafterin, Marja Stepanowna, siebzehn Zettel mit Telephonnummern von Leuten, die in seiner Abwesenheit bei ihm angerufen hatten, und eine mündliche Erklärung, daß sie nicht mehr könne. Schon wollte der Professor die Wische zerfetzen, da hielt er inne, denn bei einer der Nummern stand geschrieben »Volkskommissar für Gesundheitswesen«.
»Was ist denn das?« Der gelehrte Sonderling war aufrichtig verwundert. »Was haben die bloß alle?«
Um Viertel elf desselben Abends schrillte die Klingel, und der Professor sah sich genötigt, einen blendend herausstaffierten Bürger zu
Weitere Kostenlose Bücher