Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
aus dem Arbeitszimmer, rannte in sein Kämmerchen, wühlte aus den Lumpen in der Ecke eine angebrochene Flasche russischen Wodka hervor und kippte in einem Zug ungefähr ein Teeglas herunter. Danach aß er eine Scheibe Brot mit Salz, dann blickten seine Augen etwas fröhlicher.
Spätabends, es ging schon auf Mitternacht, saß Pankrat barfuß auf der Bank im spärlich erleuchteten Vestibül und unterhielt sich mit dem diensthabenden Melonenhut, dabei kratzte er sich die Brust unterm Kattunhemd.
»Hätt er mich lieber totgeschlagen, bei Gott …«
»Wirklich geweint?« fragte der Melonenhut neugierig.
»Wirklich«, beteuerte Pankrat.
»Ein großer Gelehrter«, pflichtete der Melonenhut bei, »is aber wahr, ein Frosch kann die Frau nicht ersetzen.«
»Überhaupt nicht«, stimmte Pankrat zu.
Er dachte nach und meinte dann: »Ich überleg mir, ob ich nicht meine Alte herbestelle. Wirklich, was soll sie im Dorf hocken. Bloß das Gewürm hier, das erträgt sie nicht.«
»Was soll man sagen, is ja auch scheußlich«, antwortete der Melonenhut.
Aus dem Arbeitszimmer des Gelehrten kam kein Laut. Auch Licht war keins darin. Unter der Tür schimmerte kein Streifen.
Achtes Kapitel
Die Geschichte im Sowchos
Es gibt entschieden keine schönere Jahreszeit als den reifen August, sogar im Gouvernement Smolensk. Der Sommer 1928 war bekanntlich von herrlichem Wetter – Regen rechtzeitig im Frühjahr, dann heiße Sonne und eine ausgezeichnete Ernte. Auf dem ehemaligen Gut der Scheremetjews reiften die Äpfel. Die Wälder grünten, wie gelbe Quadrate lagen die Felder. Auch der Mensch wird besser am Busen der Natur. Selbst Alexander Semjonowitsch Schreck wirkte hier weniger unangenehm als in der Stadt. Er trug nicht mehr die scheußliche Lederjacke. Sein Gesicht war kupferrot gebrannt, das offene Kattunhemd zeigte die schwarzkräuselige Brust, und er hatte Segeltuchhosen an. Seine Augen blickten gelassen und gutmütig.
Eilig lief er die Freitreppe vor der Säulenreihe hinunter, wo ein Schild mit einem Stern angenagelt war: Sowchos »Roter Strahl«, und eilte auf ein Lieferwägelchen zu, das die drei schwarzen Gehäuse unter Bewachung hergebracht hatte.
Den ganzen Tag hatte Schreck mit seinen Helfern zu tun, um die Gehäuse im ehemaligen Wintergarten, der Orangerie der Scheremetjews, aufzustellen. Am Abend war alles fertig. Unter dem Glasdach brannte eine weiße Milchglaskugel, die Gehäuse standen auf Ziegelsteinen, und der Mechaniker, der mit den Gehäusen eingetroffen war, drehte klickend die blanken Schrauben und erweckte auf dem Asbestboden der schwarzen Kästen den geheimnisvollen roten Strahl.
Alexander Schreck war emsig, er stieg selbst auf die Leiter und prüfte die Leitungen. Tags darauf kehrte das Lieferwägelchen von der Bahnstation zurück und spie drei Kisten aus prächtigem glattem Sperrholz aus, die rundherum weiße Aufkleber mit der schwarzen Inschrift »Vorsicht, Eier!« in deutscher Sprache trugen.
»Warum schicken die so wenig?« fragte Schreck verwundert, doch dann machte er sich eilig ans Auspacken der Eier. Dies geschah gleichfalls in der Orangerie, und beteiligt waren außer Schreck selbst seine wohlbeleibte Frau Manja, der auf einem Auge blinde ehemalige Gärtner der ehemaligen Scheremetjews und jetzige Sowchosangestellte in der Universalfunktion eines Wächters, ein zum Leben im Sowchos verurteilter Aufpasser und endlich die Reinemachefrau Dunja. Man war hier nicht in Moskau, und alles trug einen mehr schlichten, familiären und freundschaftlichen Charakter. Schreck traf seine Anordnungen, er betrachtete liebevoll die Kisten, die wie solide schwere Geschenkpakete aussahen, wie sie so dastanden im abendlichen Schein unterm Glasdach der Orangerie.
Der Aufpasser, dessen Flinte friedlich bei der Tür döste, brach mit einer Zange die Klammern und Metallbänder auf. Es krachte. Staub rieselte. Schreck wieselte mit schlappenden Sandalen um die Kisten herum.
»Bitte nicht so derb«, sagte er zu dem Aufpasser. »Vorsichtig. Sehen Sie nicht, daß es Eier sind?«
»Macht nichts«, krächzte der Provinzkrieger und bohrte weiter, »gleich …«
Krrrach … und Staub rieselte.
Die Eier erwiesen sich als fabelhaft verpackt: Unter dem hölzernen Kistendeckel kam eine Schicht Paraffinpapier, dann eine Schicht Löschpapier, dann eine dicke Schicht Holzwolle und endlich Sägemehl, in dem die weißen Köpfchen der Eier schimmerten.
»Ausländische Verpackung«, sagte Schreck liebevoll, indes er in dem
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