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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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auf dem Kusnezki Most«, antwortete der Professor gereizt. »Ich bin nicht verpflichtet, mich darum zu kümmern.«
    Er sah seinen Besucher wie durch eine Lupe an.
    »Wo kommen Sie her? Überhaupt … warum gerade Sie?«
    Nun war Schreck ernstlich beleidigt.
    »Erlau…«
    »Man sollte schließlich wissen, worum es geht! Warum klammern Sie sich an diesen Strahl?«
    »Weil es sich um eine Angelegenheit von äußerster Wichtigkeit handelt …«
    »Aha. Von äußerster? Dann … Pankrat!«
    Und als Pankrat erschien: »Warte, ich muß nachdenken.« Und gehorsam verschwand Pankrat.
    »Eines kann ich nicht begreifen«, sagte Persikow. »Warum so eilig und so geheimnisvoll?«
    »Sie machen mich ganz machulle, Professor«, antwortete Schreck. »Sie wissen doch, daß sämtliche Hühner eingegangen sind.«
    »Und was hat das damit zu tun?« heulte Persikow. »Wollen Sie sie nun schlagartig wieder zum Leben erwecken, wie? Mit einem noch gar nicht erforschten Strahl?«
    »Genosse Professor«, antwortete Schreck, »wirklich, Sie machen mich ganz machulle. Ich sage Ihnen doch, wir müssen die Hühnerzucht wieder in Gang bringen, denn im Ausland schreiben sie lauter Gemeinheiten über uns. Ja.«
    »Sollen sie doch …«
    »Na wissen Sie«, entgegnete Schreck rätselhaft und schüttelte den Kopf.
    »Ich hätte gern gewußt, wem der Gedanke gekommen ist, Hühner aus Eiern zu züchten?«
    »Mir«, antwortete Schreck.
    »Ja so … Aha … Und warum, wenn ich fragen darf? Woher wissen Sie von den Eigenschaften des Strahls?«
    »Ich war bei Ihrem Vortrag, Professor.«
    »Ich habe doch mit Hühnereiern noch gar nichts gemacht! Das will ich erst.«
    »Keine Sorge, das klappt«, sagte Schreck auf einmal mit großer Überzeugung und sehr herzlich. »Ihr Strahl ist so berühmt, daß man Elefanten damit züchten könnte, nicht bloß Kücken.«
    »Wissen Sie was«, sprach Persikow, »Sie sind doch kein Zoologe, nicht? Schade. Sie hätten einen kühnen Experimentator abgegeben. Ja. Aber Sie riskieren einen Mißerfolg, und mich kostet das Zeit.«
    »Sie kriegen doch Ihre Gehäuse zurück. Was soll sein?«
    »Wann?«
    »Nun, wenn die erste Partie ausgeschlüpft ist.«
    »Sie reden mit einer Überzeugung! Aber schön. Pankrat!«
    »Ich habe Leute mit«, sagte Schreck. »Und eine Wache …«
    Gegen Abend war Persikows Arbeitszimmer verwaist. Die Tische waren leer. Schrecks Leute hatten die drei großen Gehäuse abtransportiert und dem Professor nur das erste kleine zurückgelassen, mit dem er seine Versuche begonnen hatte.
    Die Julidämmerung brach herein. Grau bemächtigte sich des Instituts und rann durch die Korridore. Aus dem Arbeitszimmer tönten monotone Schritte – Persikow, der kein Licht gemacht hatte, durchmaß den großen Raum vom Fenster zur Tür. Merkwürdig: An diesem Abend erfaßte unerklärliche Traurigkeit Menschen und Tiere im Institut. Die Kröten stimmten ein besonders wehmütiges Konzert an, und ihr Quaken klang unheilschwer und warnend. Pankrat mußte im Korridor eine Natter fangen, die ihrem Käfig entwischt war, und sie machte ein Gesicht, als hätte sie vorgehabt, in die weite Welt zu gehen, nur weg von hier.
    In der tiefsten Dämmerung klingelte Persikow in seinem Arbeitszimmer. Pankrat erschien auf der Schwelle. Und erblickte ein seltsames Bild. Der Gelehrte stand einsam im Raum und sah auf die Tische. Pankrat räusperte sich und erstarrte.
    »Da, Pankrat«, sagte Persikow und zeigte auf den leeren Tisch.
    Pankrat war verstört. Ihm schien, daß die Augen des Professors verweint aussähen. Das war ungewöhnlich, das war beängstigend.
    »Jawohl«, antwortete Pankrat weinerlich und dachte: Dann schon lieber angeschnauzt werden!
    »Da«, wiederholte Persikow, und seine Lippen zitterten wie bei einem Kind, dem man grundlos sein Lieblingsspielzeug weggenommen hat.
    »Weißt du, lieber Pankrat«, fuhr Persikow fort, er wandte sich dem Fenster zu, »meine Frau, die mich vor fünfzehn Jahren verlassen hat und zur Operette gegangen ist, jetzt ist sie auf einmal gestorben. So ist das, lieber Pankrat. Ich habe einen Brief bekommen.«
    Die Kröten quakten kläglich, Dämmerung hüllte den Professor ein, und da war sie, die Nacht. Moskau … weiße Lampenkugeln erglühten irgendwo vor den Fenstern, Pankrat war verwirrt und wehmütig, vor Angst hielt er die Hände an die Hosennähte.
    »Geh, Pankrat«, sprach der Professor schwer, »leg dich schlafen, mein lieber, guter Pankrat.«
    Es war Nacht. Pankrat lief auf Zehenspitzen

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