Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
verließ die »Zauberträume« und den staubigen gestirnten Satin des Foyers und warf sich ins offene Meer des Krieges und der Revolution, nachdem er die Flöte gegen die todbringende Mauser vertauscht hatte. Lange schleuderten ihn die Wellen hin und her, spülten ihn bald auf die Krim, bald nach Moskau, bald nach Turkestan und sogar nach Wladiwostok. Es hatte just einer Revolution bedurft, damit Alexander Schreck sein wahres Wesen zeigen konnte. Nun stellte sich heraus, daß dieser Mann wahrhaft groß und das Foyer der »Zauberträume« natürlich nicht sein Platz war. Wir wollen uns nicht in lange Einzelheiten verlieren, sondern uns darauf beschränken, daß Ende 1927, Anfang 1928 Alexander Schreck in Turkestan weilte, wo er eine große Zeitung redigierte und als örtliches Mitglied der Obersten Wirtschaftskommission berühmt wurde durch seine erstaunlichen Arbeiten bei der Bewässerung der Region Turkestan. 1928 traf Schreck in Moskau ein und erhielt die wohlverdiente Erholung. Die Oberste Kommission jener Organisation, deren Mitgliedsbuch der provinziell altmodisch gekleidete Mann ehrenvoll in der Tasche trug, wußte ihn zu schätzen und übertrug ihm eine geruhsame und dabei ruhmbringende Funktion. Wehe! Wehe! Zum Unglück der Republik brodelte Alexander Schrecks Gehirn weiter. Er stieß in Moskau auf die Erfindung Persikows, und im Hotelzimmer des »Roten Paris« in der Twerskaja gebar er die Idee, mit Hilfe des Persikowschen Strahls binnen eines Monats die Hühner der Republik wieder zum Leben zu erwecken. Die Kommission für Tierzucht stimmte ihm zu, und so kam es, daß Schreck mit dem gediegenen Papier in der Hand den wunderlichen Zoologen aufsuchte.
Das Konzert über dem glasklaren Wasser, dem Wäldchen und dem Park näherte sich dem Ende, als plötzlich etwas eintrat, was es vor der Zeit abbrechen ließ. Die Hunde von Konzowka nämlich, die um diese Zeit längst schlafen sollten, stimmten plötzlich ein unerträgliches Gekläff an, das allmählich in ein peinigendes Heulen überging. Dieses Heulen flog, immer mehr anschwellend, über die Felder hin, und auf einmal antwortete ihm ein millionenstimmiges Quakkonzert der Frösche in den Teichen. All das war so unheimlich, daß es für einen Moment sogar schien, als wolle die geheimnisvolle Zaubernacht verfahlen.
Alexander Schreck legte die Flöte weg und trat auf die Veranda.
»Hörst du, Manja? Diese verfluchten Köter! Was meinst du, warum toben die so?«
»Was weiß ich«, antwortete Manja und blickte in den Mond.
»Weißt du was, Manjalein, wir gehen mal nach den Eiern sehen«, schlug Schreck vor.
»Alexander Semjonowitsch, du bist weiß Gott schon ganz verrückt mit deinen Eiern und Hühnern. Ruh dich doch bißchen aus!«
»Nein, Manja, komm mit.«
In der Orangerie brannte eine grelle Lampe. Dunja mit glühendem Gesicht und glänzenden Augen hatte sich gleichfalls eingefunden. Schreck klappte behutsam die Kontrollfenster auf, und alle äugten in die Gehäuse. Auf dem weißen Asbestboden lagen, schnurgerade ausgerichtet, die gesprenkelten hellroten Eier, in den Gehäusen kein Laut, doch die fünfzehntausendkerzige Kugel droben zischte leise.
»Hei, schöne Kücken werd ich züchten!« sagte Schreck enthusiastisch und blickte bald auf die Kontrollfenster an den Seiten, bald durch die weiten Ventilationsöffnungen oben. »Ihr werdet schon sehen. Was? Ihr glaubt es nicht?«
»Wissen Sie, Alexander Semjonowitsch«, sagte Dunja lächelnd, »die Bauern in Konzowka haben gesagt, Sie wären der Antichrist. Sie sagen, Ihre Eier kämen vom Teufel. Es wär sündhaft, mit der Maschine Hühner zu züchten. Sie wollten Sie schon totschlagen.«
Alexander Schreck zuckte zusammen und wandte sich seiner Frau zu. Sein Gesicht hatte sich gelb gefärbt.
»Na was sagt man dazu? Das ist ein Volk! Was macht man bloß mit so einem Volk? Na? Manja, wir werden eine Versammlung abhalten müssen. Morgen laß ich ein paar Leute aus dem Kreis kommen. Ich werd selber eine Rede halten. Überhaupt haben wir hier noch eine Menge Arbeit, sonst bleibt das ein Krähwinkel.«
»Unwissendes Volk«, sagte der Aufpasser, der neben der Tür der Orangerie auf seinem Mantel lag.
Der nächste Tag wurde denkwürdig, denn er brachte höchst sonderbare und unerklärliche Ereignisse. Die kleinen Wälder, die die aufgehende Himmelsleuchte gewöhnlich mit einem anhaltenden mächtigen Zwitscherchor der Vögel begrüßten, wahrten diesmal völliges Schweigen. Das fiel allen auf. Es war wie vor
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