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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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einem Gewitter. Aber an ein Gewitter war gar nicht zu denken. Die Geräusche im Sowchos nahmen eine für Schreck seltsame und doppeldeutige Färbung an, besonders weil der bekannte Zwietrachtstifter und Weise aus Konzowka, der den Spitznamen »Ziegenkopf« trug, allerwärts verbreitete, die Vögel hätten sich im Morgengrauen zu Schwärmen gesammelt und seien von Scheremetjewka nach Norden weggeflogen, was einfach dumm war. Alexander Schreck war sehr ärgerlich und verwandte einen ganzen Tag darauf, sich telephonisch mit der Stadt Gratschowka in Verbindung zu setzen. Man versprach ihm, übermorgen zwei Redner zu schicken, die über die internationale Lage und die Frage der Freiwilligen Hühnerzuchtgesellschaft sprechen könnten.
    Der Abend verlief gleichfalls nicht ohne Überraschungen. Waren am Morgen die Wälder stumm geblieben und hatten damit deutlich gezeigt, wie unangenehm, wie verdächtig Stille inmitten von Bäumen ist, da selbst die Spatzen vom Sowchoshof mittags weggeflogen waren, so blieb am Abend der Teich in Scheremetjewka stumm. Das war geradezu verblüffend, denn alle Welt, vierzig Werst im Umkreis, kannte das berühmte Quakkonzert der Scheremetjewkaer Frösche. Jetzt schienen sie ausgestorben. Keine einzige Stimme drang vom Teich, und das Ried stand lautlos. Es sei zugegeben, daß Alexander Schreck nun vollends ergrimmte. Man redete und redete aufs unangenehmste, nämlich hinter seinem Rücken, über diese Vorkommnisse.
    »Wirklich sonderbar«, sagte Schreck beim Mittagessen zu seiner Frau. »Warum mögen die Vögel weggeflogen sein?«
    »Woher soll ich das wissen?« antwortete Manja. »Vielleicht wegen deinem Strahl?«
    »Manja, du bist eine dumme Gans«, antwortete Schreck und ließ den Löffel fallen. »Du redest wie die Bauern. Was hat der Strahl damit zu tun?«
    »Was weiß ich. Laß mich in Ruhe.«
    Abends ereignete sich die dritte Überraschung – wieder heulten die Hunde in Konzowka, und wie! Über den mondbeschienenen Feldern hing ein unentwegtes Stöhnen und wehmütiges Klagen.
    Eine weitere Überraschung, diesmal eine angenehme in der Orangerie, entschädigte Schreck ein wenig. In den Gehäusen tönte ein ununterbrochenes Klopfen aus den roten Eiern. Tock-tock-tock-tock, klopfte es bald im einen, bald im zweiten, bald im dritten Ei.
    Dieses Klopfen klang Alexander Schreck triumphal in den Ohren. Die sonderbaren Ereignisse in den Wäldern und im Teich waren vergessen. Alle fanden sich in der Orangerie ein: Manja, Dunja und auch der Aufpasser, der seine Flinte an der Tür stehenließ.
    »Na, was sagt ihr nun?« fragte Schreck beglückt. Alle hielten neugierig das Ohr an die Klappen des ersten Gehäuses. »Da picken sie schon mit dem Schnabel, die Kücken«, fuhr Schreck strahlend fort. »Habt ihr nicht gesagt, es würde nichts mit den Kücken? Doch, meine Lieben.« Im Überschwang des Gefühls klopfte er dem Aufpasser auf die Schulter. »Ich werde Kücken züchten, daß ihr nur so staunt. Aber jetzt muß ich scharf aufpassen«, fügte er streng hinzu. »Wenn sie anfangen zu schlüpfen, sagt ihr mir sofort Bescheid.«
    »Gut«, antworteten der Wächter, Dunja und der Aufpasser im Chor.
    Tock-tock-tock, klopfte es im ersten Gehäuse, bald im einen, bald im andern Ei. Wirklich, das entstehende neue Leben in der dünnen, blinkenden Schale war so interessant, daß die ganze Gesellschaft noch lange auf den umgekippten leeren Kisten saß und das Reifen der himbeerroten Eier im geheimnisvollen Flimmerlicht beobachtete.
    Man ging erst ziemlich spät schlafen, als über dem Sowchos und seiner Umgebung schon die grünliche Nacht zerfloß. Sie war rätselhaft und, man kann sagen, sogar furchteinflößend, sicherlich weil die völlige Stille immer wieder vom grundlosen schwermütigen und quälenden Geheul der Hunde von Konzowka unterbrochen wurde. Warum die verdammten Köter so jaulten, war völlig schleierhaft.
    Am Morgen wartete eine unangenehme Überraschung auf Alexander Schreck. Der Aufpasser war völlig konfus, drückte immer wieder die Hand ans Herz und schwor hoch und heilig, er habe nicht geschlafen, aber trotzdem nichts bemerkt. »Völlig unbegreiflich«, beteuerte er, »nicht meine Schuld, Genosse Schreck.«
    »Ich danke Ihnen, ich danke Ihnen von Herzen«, zerschmetterte ihn Schreck, »was denken Sie sich eigentlich, Genosse? Wozu hat man Sie hierhergestellt? Zum Aufpassen. Darum werden Sie mir jetzt sagen, wo die Kücken geblieben sind. Sie sind doch ausgeschlüpft? Also sind sie

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