Teufels-Friedhof
eine andere Welt, die uns jetzt noch fremd vorkommt, aber uns sehr bald vertraut sein wird. Ich gebe das Zeichen, ich werde es euch sagen, wann ihr mir zu folgen habt. Bleibt so lange hier.«
Mehr sagte er nicht. Wieder quoll Nebel in die Höhe, dröhnten die dumpfen Laute einer unheimlichen Musik durch den Saal, und der rote Teufel verschwand ebenso schnell, wie er gekommen war. Zahlreiche Grufties hatten bei den letzten Worten seiner satanischen Rede den Atem angehalten. Erst danach holten sie tief Luft, schauten sich gegenseitig an, schüttelten die Köpfe, lächelten sich zu, nickten und griffen mit zitternden Händen zu ihren ungewöhnlichen Drinks oder den Glimmstengeln. Feuerzeuge klickten; blasse Flammen und aufglühende Zigarettenenden waren zu sehen.
Man diskutierte nicht laut, nur wispernd. Der leise Stimmenklang wehte über die Köpfe der Gäste hinweg. Am meisten wurde das Wort Teufel und Satan ausgesprochen.
Kaum einer wagte über den Friedhof zu reden. Sie hatten davon gehört, daß es ihn geben sollte, einen uralten Friedhof, der angeblich durch die Zeit reisen konnte und immer dort erschien, wo sich Menschen versammelten, die dem Satan dienten. Bisher war dies Theorie gewesen, in dieser Nacht aber sollte der Teufelsfriedhof endlich erscheinen.
Vivian atmete stöhnend aus und wischte durch ihr schweißnasses Gesicht. »Ich kann es kaum glauben«, hauchte sie und bekam dabei eine Gänsehaut. »Endlich ist es soweit.«
Ihr Gruftie-Freund grinste. »Freust du dich darauf?«
»Und wie.«
»Dann willst du ihm einen Besuch abstatten. Du brauchst es nicht, Vivian.«
»Doch, ich will.«
Heinz schaute sich um. Die Gäste hingen an der Theke wie greise Gestalten, die sich nur mit Mühe noch festklammern konnten. Mit trüben und leeren Blicken schauten sie in ihre Gläser oder über die hinweg und ins Nichts. Sie nippten an den Drinks, saugten an ihren Zigaretten und flüsterten vor sich hin.
Die Trauermusik war geblieben. Wie eine schale Melodie wehte sie durch den großen Raum. Wer nach diesen Klängen tanzen wollte, der konnte sich nur langsam bewegen.
»Willst du tanzen?« fragte Vivian müde.
Ihr Freund hob die Schultern.
»Komm, ich will mich vorbereiten.« Sie faßte Heinz an und zog ihn von der Theke weg.
Wie willenlos folgte er ihr in die Mitte des Raumes hinein und stierte dabei ins Leere.
Andere Gäste waren dem Beispiel der beiden gefolgt und gingen ihnen nach oder schleiften neben ihnen her. Daß sie sich gegenseitig anstießen, störte nicht weiter. Sie bewegten sich wie Puppen, aber sie bildeten einen Kreis und glichen ihre Bewegungen der Musik an. Ungewöhnlich steif und gerade hielten sie dabei ihre Körper, die von dünnen Dunstschwaden umweht wurden. Der künstliche Nebel drang aus irgendwelchen Löchern und Ritzen, seine Intensität konnte sehr genau gesteuert werden. Keiner aus der Gruppe faßte den anderen an. Ein jeder tanzte für sich allein, dennoch spürten sie alle das Band des Teufels, das sie zu einer Gemeinschaft werden ließ. Auch Vivian beherrschte den Totengräber-Tanz. Sie mußte dabei ihren Oberkörper ziemlich steif halten, knickte eigentlich nur in den Knien ein und bewegte dann ihre Arme nach vom, um die schaufelnden Bewegungen zu imitieren, die auch der Totengräber bei seiner Arbeit machte. Dabei bewegten sie sich zeitlupenhaft langsam, hoben manchmal die Köpfe, ließen sie wieder nach hinten fallen, stierten mit verdrehten Augen gegen die Decke, um einen Moment später den Boden anzustarren.
Sie atmeten stoßweise, manche von ihnen sogar röchelnd, und ergaben sich der Trance dieses Tanzes.
Gruftie-Heino tanzte neben seiner Braut. Sein Gesicht wirkte wie ein weißer Fleck im Nebel. Der Mund stand offen, er lauschte nur den Klängen und stellte sich vor, wie der Teufel als unheimliche schwarze Gestalt aus der Erde fuhr und ihn mit seinen langen, fellbedeckten Satansarmen umfing.
Er dachte an wilden Sex, an Drogen, an Macht und Geld. Die anderen, die tatsächlichen Werte des Lebens existierten für ihn nicht mehr, und auch Vivians Gedanken beschäftigten sich intensiv mit dem Teufel, wenn auch in eine andere Richtung.
Sie fand ihn einfach traumhaft, irre. Sie fühlte sich von seiner Aura geborgen. Er sollte dafür sorgen, daß man sie weit wegtrug, hinein in die Welt, wo alles anders war, und sie stellte sich weiterhin vor, wie seine Hände sie streichelten.
Die Musik war wie ein böses Rauschgift. Sie lullte die Tanzenden ein, wenn sie sich darauf
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