Teufels-Friedhof
er plötzlich hervortrat.
So auch jetzt.
Sein Auftritt war stets mit einer kleinen Schau verbunden. Es begann mit einem irren Schrei, unter dem nicht einmal die Hälfte der Gäste zusammenzuckte, so abgebrüht waren sie mittlerweile geworden. Dann wölkten Nebelschwaden auf, aus irgendeiner Öffnung drängend, wallten sie über die Fläche, hielten sich aber nahe der Kanzel, wo sie auch in die Höhe stiegen und sich dabei verdichteten.
Wer genau hinschaute, hätte den Schatten sehen können, der zur Kanzel hochschwebte.
Als hätten die Grufties einen Befehl bekommen, so gerieten sie in Bewegung. Alle, die an der Theke standen, drehten sich um und schauten zur von Nebelschwaden umwallten Kanzel.
Ein Windstoß fegte durch das Lokal und trieb den künstlichen Nebel auseinander. Die Grufties hatten freie Sicht.
Vivian umfaßte den Arm ihres Freundes. Wie immer war sie fasziniert vom Auftritt des Frank Oschinski, der sich hier der rote Teufel nannte und auch so aussah.
Er trug ein eng anliegendes Kostüm, das von den Zehenspitzen bis zur Stirn reichte und nur sein weiß geschminktes Gesicht freiließ.
Die Lippen hatte er schwarz bemalt. Auf der hellen Stirnfläche sollten zwei schwarze Zeichnungen die Teufelshörner andeuten, und seine leicht gekrümmte Nase war so raffiniert geschminkt worden, daß die linke Hälfte im Schatten lag.
Die Kapuze nahm nicht die gesamte Fläche des Schädels ein. Sie ließ einen schwarzen Haaransatz frei, den Frank zu einem Dreieck hatte schneiden lassen, wobei die Spitze bis in seine Stirn reichte. Wie einen kurzen Rasen hatte er die Haare gestutzt.
Unbemerkt von den Gästen hatte er eine Scheibe aufgelegt. Schwere Orgelmusik dröhnte durch die Disco, untermalt von hellen, spitzen Frauenschreien.
Mit der rechten Hand griff er unter den Kanzelrand, wo auch die Anlage eingebaut worden war, und holte aus einem vorn offenen Fach etwas hervor und hielt es hoch.
Es war eine Teufelsmaske!
Widerlich anzusehen, in einem häßlichen Schwarzrot und leuchtenden Augen und einem bleckenden Gebiß. Schlagartig verstummte die Musik. Von zwei Seiten drangen diesmal helle Scheinwerferstrahlen durch den schweren Dunst und zeichneten die Gestalt des roten Teufels genau nach.
Einige weibliche Grufties fingen an zu schreien, aber Oschinski sorgte durch eine Handbewegung dafür, daß sie verstummten. Auch Vivian war angetörnt. Diese unheimliche Atmosphäre zog sie in ihren Bann, und sie hatte die Hände zu Fäusten geballt, wobei sie den Schweiß auf ihren Handflächen spürte.
Dieser Abend würde nicht so ablaufen wie all die anderen, er war der wichtigste. Die langen Stunden davor hatten nur dazu gedient, ihn vorzubereiten.
Noch sagte Frank nichts. Erst als er die Hand mit dem Teufelskopf allmählich senkte und das Mikrofon richtete, hineinblies und ein Lachen ausstieß, da drangen die ersten Worte aus seinem Mund.
»Meine Freunde der Hölle«, begann er mit krächzender Stimme. »Meine lieben Freunde des Bösen, heute nacht ist die Nacht der Nächte, denn wir werden zum erstenmal unsere Disco verlassen und hingehen zu dem Platz, den ich auserwählt habe. Er ist mit dem Blut getränkt worden, das den Hauch der Hölle in sich hat. Diese kalte Nacht ist wichtig, doch ihr werdet nicht frieren, meine Freunde, ihr werdet bestimmt nicht frieren, denn das Feuer der Hölle wird euch wärmen. Vergeßt niemals, was ich euch versprach. Der Teufel ist unter uns, wir haben ihm gedient, wir haben ihn gelockt, und er hat unseren Lockungen nicht mehr widerstanden. Er hat mir versprochen, sich zu zeigen, denn ich habe es geschafft, die Welten zu verbinden. Schon lange sprach ich davon, ihn euch zu zeigen. Jetzt werdet ihr ihn sehen können, denn er ist gekommen.« Der rote Teufel steigerte seine Stimme, bis sie sich überschlug. »Der Teufels-Friedhof ist wieder da. Was die Jahrhunderte über nur als Legende bekannt war, ist eingetreten. Für diese Nacht stieg er aus unermeßlichen Tiefen in die Höhe, um uns als seine Freunde und Opfer anzunehmen. Wir werden die Grabsteine mit Blut bestreichen, wir werden dem Teufel die Ehre erweisen, unsere Gesänge werden über den Friedhof schallen und dem Teufel verkünden, daß wir bereit sind, auf ihn zu hören. Er wird uns erscheinen und unsere Schwüre bestätigen. Früher wurde dort das Schwarze Gold gefördert, heute werden wir das Gold der Hölle in unseren Besitz bringen. Um Mitternacht werden wir den Teufels-Friedhof erreicht haben, dann tauchen wir hinein in
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