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Teufels Küche

Teufels Küche

Titel: Teufels Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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Alexandria. Ich habe mal an einem Samstagnachmittag dort rumgestöbert, und dabei bin ich darauf gestoßen, rein zufällig stand es irgendwo herum.«
    »Und du hast es wiedererkannt?«
    »Draper, also das kann ich nicht beschwören. Aber es kam mir gleich bekannt vor. Du weißt, daß ich ein- oder zweimal bei ihm gewesen bin, als junger Kerl, nicht älter als sechsundzwanzig, siebenundzwanzig. Darum habe ich mich danach erkundigt, und als man mir sagte, daß es John L. gehört hätte, also, da dachte ich gleich an dich, habe ein bißchen gehandelt und es schließlich gekauft.« Der weißhaarige Mann streckte die Hand ins und berührte einen der Halter mit den Porzellanköpfen. »Hieran hing der Hut, den John L. Lewis auf dem Kopf getragen hat. Sicher, der alte John L. war nicht gerade ein Politiker in dem Sinn, daß er sich um ein öffentliches Amt beworben hätte. Aber er war schon auch jemand.«
    »Er genügt mir«, sagte Haere und wischte mit dem Ärmel seiner Jacke über einen der gebogenen Arme. »Er genügt mir völlig.«
    Der weißhaarige Mann war um 19.45 Uhr unangemeldet und unerwartet gekommen, als Haere gerade mit nahezu religiöser Inbrunst die Sendung mit MacNeil und Lehrer verfolgte, obwohl er das Paar insgeheim, wenn auch nicht unfreundlich, als »die Langweiler« bezeichnete. Nachdem der weißhaarige Mann unten auf den Summer gedrückt hatte, hatte Haere über die Sprechanlage gefragt, wer denn da sei.
    »Ich bin’s, Draper, Dave Slipper, und ich hab ein paar nette Burschen bei mir, die etwas für dich die Treppe hochschleppen wollen, wenn du mal eben auf den Türöffner drückst.«
    Haere drückte auf den entsprechenden Knopf, trat dann auf den kleinen Absatz hinaus und sah überrascht zu, wie die beiden Männer von der Spedition Bekins unter der Aufsicht von David Slipper den Garderobenständer die Treppe heraufwuchteten.
    Der weißhaarige Mann, inzwischen einundsiebzig Jahre alt, war 1935 nach seiner Graduierung in Swarthmore und einem weiteren Studienjahr an der London School of Economics nach Washington gekommen. Er war zu verschiedenen Zeiten während des New Deal Mitarbeiter im Weißen Haus oder, wie er es nannte, »Bürobote bei Harry Hopkins«, gewesen, im Krieg eine Art Spion im Office of Strategie Services, Kolumnist für eine Pressezentrale mit 121 Tageszeitungen, Biograph von Thomas Brackett (Zar) Reed, dem Sprecher des Repräsentantenhauses mit dem eisernen Willen, Sekretär im Landwirtschaftsministerium (sechs Monate), stellvertretender Staatssekretär im Innenministerium (neunzig Tage), Botschafter im Tschad (ein Jahr, »das längste Jahr meines Lebens«, sagte er später) und in den vergangenen fünfzehn Jahren ein politischer Macher und Berater, der für seine vernünftigen und nüchternen Ratschläge unverschämte Honorare verlangte.
    Viele in Washington hielten David Slipper für den Dorfweisen. Er lebte in einem ehemaligen Kutscherhäuschen hinter dem Obersten Gerichtshof, in dem er seit 1936 immer wieder gewohnt hatte. Joe McCarthy war einmal sein Nachbar gewesen. Er war ein Mann mit außerordentlicher Eleganz und südstaatlichem Charme, was manche nicht daran hinderte, ihn deswegen zu verabscheuen. Slipper hatte sich einen Anflug seines Memphisakzents erhalten, der dem Ernst der Situation entsprechend kam oder ging. Wenn man schlechte Nachrichten zu übermitteln hatte, betraute man damit gern und oft David Slipper. Und wie ein alter Karrengaul der Partei aus Boston zu Haere mal gesagt hatte: »Wenn der alte Dave dir die Kehle durchschneidet, Draper, riechst du keine Scheißmagnolien.«
    Haere beendete einen weiteren bewundernden Rundgang um den Garderobenständer. »Wie, zum Teufel, hast du das Ding nur hierher bekommen?«
    Slipper zuckte mit den Achseln. »Oxy schickte eine ihrer 727er leer hier heraus. Da habe ich zwei Anrufe gemacht und die haben es mitgenommen.« Oxy war natürlich Occidental Petroleum.
    »Bist du nur hier, um mich zu besuchen?«
    »Unter anderem. Hast du schon gegessen?«
    »Noch nicht.«
    »Hast du Eier im Haus?«
    »Aber ja.«
    »Dann werde ich uns ein Omelett zaubern.«
    Das Omelett war so perfekt wie der Salat, den Slipper aus einem Kopf recht fragwürdigen Eissalats, Knoblauch und etwas heißem, ausgelassenem Speck schuf. Sie aßen an dem narbenbedeckten Bibliothekstisch im Eßbereich und teilten sich dazu eine Flasche Wein. Der Tisch hatte einmal das Arbeitszimmer von Vito Marcantonio, demokratisches Mitglied des Repräsentantenhauses für New York,

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