Teufels Küche
»Und viele Tote.« Mit einem Kopfnicken wies er auf einen ausgebrannten Bus. »Diese Wracks. Sie waren voll besetzt mit Leuten, die zum Flughafen flohen, als der Präsident hingerichtet worden war. Die Leute in diesen Wracks wurden ebenfalls hingerichtet. Und ausgeraubt.«
»Von den Banditen?« fragte Citron.
»Oder den Soldaten. Da besteht kein großer Unterschied.«
Der Fahrer bog in die Avenue des Fünften September ein und zeigte auf den Präsidentenpalast und auf die Mauer, vor der der glücklose Präsident hingerichtet worden war. Danach kam ein großer Platz, den sowohl die Kathedrale – sie war offen – als auch das barocke Nationaltheater – das mit Brettern vernagelt war – zierten, und ein Stück weiter folgte das Gebäude von La Prensa , der einmal hochangesehenen Zeitung, das gleichfalls mit Brettern vernagelt war.
»Wir bekommen jetzt unsere Nachrichten vom Fernsehen«, sagte der Fahrer. »Der Sender funktioniert noch. Sie bringen viele nordamerikanische Sendungen. Zum Beispiel diese Serie mit dem Rechtsanwalt Perry Mason. Die ist eine beliebte Sendung. Aber auch die Serie mit dem Titel Leave It To Beaver. Habe ich es richtig ausgesprochen?«
Citron erwiderte, das habe er.
»Auch die ist sehr beliebt.« Er machte eine Pause. »In dieser Serie wird nie jemand verletzt oder geschädigt. Das sehen die Leute hier gern.«
Das Intercontinental war ein neun Stockwerke hoher Klotz aus Stahl und getöntem Glas auf einer Klippe über dem Meer. Der Fahrer kurvte von der Avenue des Neunzehnten Januar auf ihn zu. Für die Fahrt vom Flughafen verlangte er fünfzehn Dollar, und Citron gab ihm zwanzig. Er bedankte sich sehr höflich und erwähnte noch einmal die Vorstellungen mit den dreizehnjährigen Jungfrauen, falls die Herren ihre Meinung ändern sollten. Und natürlich auch die Dame. Citron versprach, sie würden es sich überlegen.
Ihr Gepäck wurde von einem Portier in das Foyer getragen, der den verchromten Helm eines Konquistadors und das dazu passende Kostüm trug. Velveta Keats und Citron entschieden sich für ein gemeinsames Zimmer. Haere erhielt eines, das einige Türen weiter lag. Beide Zimmer lagen im obersten Stockwerk mit Blick auf das Meer. Das Hotel schien fast leer zu stehen. Als Haere diese Tatsache an der Rezeption erwähnte, wies der Empfangschef darauf hin, daß die Saison noch nicht begonnen habe. Haere fragte, wann die Saison denn beginne. Der Empfangschef meinte, im nächsten Monat oder spätestens im übernächsten. Als Haere gefragt wurde, wie er bezahlen wolle, antwortete er, mit seiner American Express Card. Der Empfangschef sagte, das wäre akzeptabel. Sollte der Herr jedoch wünschen, mit Dollars in bar zu bezahlen, erhielte er einen Rabatt von zwanzig Prozent. Haere sagte, er werde darüber nachdenken.
Velveta Keats war im Bad, und die Tür war geschlossen, als das Telefon klingelte. Citron nahm den Hörer ab und meldete sich mit Hallo.
»Morgan Citron?« fragte eine männliche Stimme.
»Ja.«
»Ich denke, wir sollten miteinander reden.« Der Mann sprach spanisch.
»Worüber?«
»Über eine Sache von gemeinsamem Interesse.«
»Wer sind Sie?«
»Ich bin Mr. X«, sagte die Stimme und sprach das X spanisch aus, was entweder wie »equis« oder »eckys« klingt. »Wir könnten uns in meinem Zimmer treffen.«
»Ich ziehe einen anderen Ort vor.«
»Wo denn?«
»Morgen vormittag um zehn.«
»Das ist wann. Wie steht es mit wo?«
»Ich werde es Sie wissen lassen.«
Die Leitung wurde unterbrochen, und Citron legte gerade den Hörer auf, als Velveta Keats aus dem Bad ins Zimmer kam.
»Wer war das?«
»Mr. Eckys.«
»Was für ein komischer Name.«
»Ja«, sagte Citron. »Nicht wahr?«
28
Die drei betraten an diesem Abend um neun Uhr gemeinsam das so gut wie leere Restaurant des Intercontinental. Ein bärtiger Oberkellner brachte sie zu einem Tisch und legte ihnen die Speisekarte vor. Ein Hilfskellner kam und tauschte die Servietten aus, die nicht so aussahen, als müßten sie ausgetauscht werden. Citron entfaltete seine auf den Knien und fing den zusammengelegten Zettel auf, ehe er zu Boden fiel.
Citron sah sich um. Die beiden anderen Gäste im Saal waren ein Mann und eine Frau, die auf der anderen Seite des Raumes saßen und sich nur für ihr Essen interessierten. Citron entfaltete hinter der Speisekarte den Zettel, las ihn und steckte ihn in seine Hosentasche.
»Von wem ist er?« fragte Haere, der die Speisekarte studierte.
»Von dem Mann, der angerufen
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