Teufels Küche
hat.«
»Mr. Eckys?« fragte Velveta Keats.
»Mr. Eckys.« Citron blickte in die Speisekarte. »Es ist nach wie vor morgen vormittag um zehn Uhr«, sagte er, »aber es ist draußen auf dem Land. Ich werde einen Wagen brauchen.«
»Wir werden am Empfang einen mieten«, sagte Haere. »Was wollen Sie essen?«
»Steak.«
»Velveta?«
»Ich glaube, ich nehme das mit der Frucht des Meeres.«
Als der Kellner kam, bestellte Haere Steaks für sich und Citron und die Meeresfrüchte für Velveta Keats. Er und der Kellner berieten sich über den Wein, Haere in seinem gebrochenen Spanisch und der Kellner in einem ebenso fragmentarischen Englisch. Sie stimmten schließlich überein, daß es wahrscheinlich klug wäre, auf den Wein zu verzichten, dessen Qualität fragwürdig zu sein schien, und statt dessen das lokale Bier zu versuchen. Das Bier nannte sich Two Brothers und erwies sich als außergewöhnlich gut.
Haere stellte sein Glas ab und sagte: »Während Sie sich morgen mit Mr. Eckys treffen, werde ich wohl die Botschaft aufsuchen und dort den empörten amerikanischen Bürger mimen.«
»Weswegen?« fragte Citron. »Wegen diesem Arzt?«
»Falls er das ist.«
»Den Leuten von der Botschaft wird das gefallen. So was mögen sie.«
Velveta Keats sah erst Citron an, dann Haere, dann wieder Citron. Sie runzelte die Stirn. »Darf ich mal was fragen?«
»Gewiß«, sagte Citron.
»Was habt ihr zwei eigentlich wirklich vor?«
Citron neigte sich Velveta Keats zu und lächelte in einer Weise, von der er glaubte, sie könne konspirativ wirken. »Du willst natürlich die Wahrheit wissen.«
Sie nickte.
»Also, die Wahrheit ist, daß wir es selbst nicht wissen.«
»Richtig«, sagte sie und nickte weise. »So was habe ich mir schon gedacht.«
Citron lag nackt auf dem Bett und sah Velveta Keats zu, die gleichfalls nackt im Schneidersitz auf einem Sessel neben der Lampe saß und sorgfältig farblosen Lack auf ihre Fingernägel auftrug. Sie hatten eines ihrer sexuellen Phantasiestücke ausgelebt, das etwas mit einer milden Form der Unterwerfung zu tun hatte, und als das geschafft war, lag Citron erschöpft da, und sie setzte sich auf dem Bett auf, eigentlich jetzt erst richtig in Stimmung, und verkündete, sie hätte das Bedürfnis, ihre Nägel wieder in Ordnung zu bringen. Es schien mehr als eine Notwendigkeit zu sein. Citron hatte eher den Eindruck, es wäre eine Art Zwang. Er lag da und sah zu, während sie leise, fast tonlos, vor sich hinsummte und mit einem kleinen Pinsel sorgfältig jeden Nagel behandelte. Er fragte sich, ob es wirklich so etwas wie geborene Lügner gäbe, und falls ja, ob Velveta Keats zu ihnen gerechnet werden könnte. War dieser Zug erblich oder erworben? Mußte sie ihr Können als Lügnerin üben oder war es eine natürliche Gabe? Und warum waren gute Lügner eigentlich im allgemeinen eine angenehmere Gesellschaft als die Wahrheitsfanatiker, die, wie er fand, nur zu oft stupide und langweilig und scheinheilig waren? Citron entschloß sich, eine weitere Darbietung herauszufordern.
»Erzähle mir etwas von ihm«, sagte er.
»Von wem?«
»Deinem Bruder.«
»Der, mit dem ich immer ins Bett gegangen bin?«
»Genau dem.«
»Das habe ich nur erfunden«, sagte sie, immer noch auf ihre Nagelpflege konzentriert. »Ich habe gedacht, das würde dich anmachen. Inzest bewirkt das bei vielen. Hast du das gewußt?«
»Ich habe so was mal gehört.«
»Er starb, als er neun und ich sieben war.«
»Woran?«
»An Kinderlähmung.« Sie blies auf ihre Nägel. »Ich vermisse ihn immer noch.«
»Was ist dann aus deinem Mann geworden? Jimmy. Hieß er nicht so?«
»Jimmy. Jimmy Maneras. Eigentlich Jaime.«
»Was ist aus ihm geworden?«
»Er starb.«
»Wann?«
Sie hielt eine Hand mit gestrecktem Arm von sich weg, um die Fingernägel zu kontrollieren. »Oh, ich weiß nicht genau. Vor sechs Monaten war es wohl.«
»Woran?«
Sie wedelte mit ihrer Hand, um den Lack zu trocknen. »Papa hat ihn erschossen.«
Citron seufzte. »Was soll das, Velveta?«
Sie sah ihn an und schien verletzt zu sein. »Ich sage die Wahrheit. Papa hat ihn erschossen.«
»Warum?«
»Du würdest es mir doch nicht glauben, wenn ich es dir sage.«
»Ich glaube doch.«
»Deswegen haben sie mich doch nach Malibu verfrachtet. Ich wollte zur Polizei gehen. Aber als ich aus heiterem Himmel diesen Anruf von Craigie Grey bekam, die mich einlud, zu ihr zu kommen und in ihrem Haus am Strand zu wohnen und so, da, na ja, ich wollte ja auch
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