Teufels Küche
abgeführt werden, werden abgeführt, weil sie vermutlich Probleme haben – mit der Steuer, mit dem Ausreisevisum, irgendein beliebiges Problem. Diese Probleme sind schnell geklärt. Dann werden die Betreffenden aufgefordert, für den Wohlfahrtsfonds der Polizei eine Spende zu geben. Wenn die Spende angemessen ist, können sie an ihren früheren Platz in der Warteliste zurück.«
»Und wenn das nicht der Fall ist?«
»Kommen sie ans Ende der Liste, wenn sie Glück haben. Die weniger Glücklichen, die kein Geld haben, also niemand weiß genau, was aus denen wird.« Zum ersten Mal sah der Chefsteward Haere an. »Ich muß jetzt wirklich gehen, Mr. Haere.«
»Ja, ich verstehe.«
»Nein, Mr. Haere, ich fürchte, Sie verstehen nicht.« Der Chefsteward wandte sich ab und ging schnell auf die Tür zur Straße zu. Er sah weder nach rechts noch nach links, sondern nur auf das grüne Schild über der Tür. Darauf stand: Salida. Ausgang.
Der Flughafen war auf einem schmalen Plateau angelegt, das aus der Bergkette herausragte, die Tucamondo sowohl geographisch als auch wirtschaftlich teilte. Der östliche Abhang verlief in einem breiten Marschland, das an das Karibische Meer grenzte. Der westliche Abhang senkte sich steiler und breitete sich schließlich zu niedrigen Hügeln aus, die einen Naturhafen bildeten, an dem die Spanier 1519 Ciudad Tucamondo gegründet hatten.
Sie legten die elf Meilen vom Flughafen zum Rand der City in einem Taxi, einem acht Jahre alten Chevrolet Impala, zurück. Das erste, was der noch junge Fahrer ihnen zu verkaufen versuchte, war Rauschgift, entweder Kokain oder Marihuana. Er war ein schlechter Verkäufer und wußte es, und seine Anpreisungen klangen im besten Fall halbherzig. Er wurde nur ein wenig redegewandter bei seinem zweiten Vorschlag: einer Führung durch die Fleischtöpfe der City, wo er Einblicke versprach, die jeder Vorstellung spotteten.
»Da gibt es keine alten Tanten, Señor«, erklärte er Citron, der neben ihm auf dem Vordersitz saß, »sondern junge Mädchen von dreizehn und manche vielleicht noch nicht einmal zwölf.«
»Jungfrauen natürlich«, sagte Citron.
»Nur eine, aber ihre Deflorierung durch den großen Hund ist der Höhepunkt jeder Vorstellung.«
»Wo finden sie die vielen Jungfrauen?«
»In einem armen Land wie unserem«, sagte der Fahrer, »sind Jungfrauen sowohl billig als auch zahlreich.«
»Wie gehen die Geschäfte sonst?«
»Hier im Westen ist es besser als im Osten. Da drüben verhungern sie, bei uns hungern wir nur.«
Die Straße vom Flughafen war eine noch ziemlich neue, aber schon mit Schlaglöchern übersäte, vierbahnige Autostraße, weitgehend frei von Verkehr, aber gesäumt von ausgebrannten Skeletten von Lastwagen und Bussen und Personenautos.
»Eine schöne Straße, nicht wahr?« sagte der Fahrer. »Sie wurde mit Geld aus Ihrem Land gebaut. Viele Verwandte des Präsidenten sind dabei reich geworden und leben jetzt in schönen Apartments in Miami. Der Präsident selbst hat es natürlich nicht geschafft, seinen Anteil am Reichtum zu genießen.«
»Er wurde erschossen.«
»Ja. Von den Generälen. Vor dem Präsidentenpalast, an der Mauer. Ich zeige Ihnen die genaue Stelle, wenn wir da vorbeikommen. Sie erinnern sich sicher. Es war eine öffentliche Hinrichtung. Die Leute kamen von überall her. Es war beinahe ein Festtag. Sie brachten ihn heraus und stellten ihn an die Wand, und die Generäle selbst waren das Exekutionskommando. Zweiunddreißig waren es. Sie waren keine Meisterschützen, aber immerhin, elf Kugeln haben ihn getroffen. Ich bin selbst dagewesen. Als es vorbei war, herrschte völlige Stille. Und dann kam ein langer Seufzer – etwa so.« Der Fahrer seufzte tief auf. »Es war beinahe wie ein Windstoß. Alle waren wie erlöst.«
»Und jetzt?«
Der Fahrer zuckte mit den Achseln. Er war ein junger Mann, noch keine dreißig, mit Augen, die zu groß, und Handgelenken, die zu dünn waren. Wie der Angestellte in Houston trug er einen Schnurrbart mit sorgfältig gepflegten, nadelscharf ausgezogenen Spitzen. Citron überlegte, ob diese Schnurrbärte ein Abzeichen sein könnten, ein Erkennungssignal womöglich, oder vielleicht nur ein Zeitvertreib, der nichts kostet. Er verzichtete darauf, danach zu fragen.
»Die Generäle«, sagte der Fahrer und zuckte wieder mit den Achseln, »sie können sich nicht einigen, und deswegen haben wir keine Regierung.« Er machte eine Pause. »Nur Soldaten und Banditen.« Wieder machte er eine Pause.
Weitere Kostenlose Bücher