Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
zwanzig Jahren einmal modern gewesen war und es heute, in Zeiten der Retro-Möbel, wahrscheinlich wieder war. Ein tiefes Seufzen entfuhr Julia, als sie den Blick von den auf kurz vor acht Uhr stehenden Zeigern löste und für einen Moment den Kopf in den Nacken legte und die Stille und die Dämmerung genoss. Sie würde das alte Ding niemals abhängen, diese Gewissheit stieg in ihr auf, denn auf eine grausame Weise spiegelte die Uhr ihr wider, dass alles vergänglich ist, die Zeit gnadenlos voranschreitet und man nichts dagegen tun kann. Auch nicht, wenn man sich sämtlicher Uhren und Kalender entledigt, ganz im Gegenteil.
Julia fröstelte, hauchte sich warme Luft in die Handflächen und rieb diese dann fest aneinander. Sieh es positiv, dachte sie mit einem unfrohen Lächeln. So unverrückbar wie dieses Unikum bist auch du, was auch immer passiert. Die Zeit ist zu kostbar, um zu leiden, besonders in der zweiten Hälfte des Lebens. Ruckartig schnellte ihr Oberkörper nach vorn, sie klatschte in die Hände und griff anschließend erneut zum Telefon.
Dienstag, 19:55 Uhr
E lvira Klein war vor einer Viertelstunde bei Peter Brandt in der Elisabethenstraße eingetroffen. Der Kommissar hatte sie bereits erwartet, obgleich er auf sie wirkte, als sei er selbst noch nicht lang zu Hause. Tatsächlich hatte er ihr nach einer innigen Umarmung, aus der er sich nur widerwillig und langsam löste, erzählt, dass er eine Extrarunde im Präsidium eingelegt hatte.
»Abends, wenn kaum mehr jemand da ist, kann ich einfach am besten denken«, sagte Peter Brandt immer, und die Staatsanwältin, der es ähnlich ging, konnte das nur allzu gut verstehen.
Als Brandt endlich daheim angekommen war, hatte er eine kurze Notiz vorgefunden, auf der Michelle ihm mitteilte, dass sie mit einer Kommilitonin verabredet sei, und es spät werden könne. Außerdem habe Sarah angerufen. Zerknirscht, denn er hatte schon viel zu lange nicht mehr mit seiner älteren Tochter telefoniert, geschweige denn, sie gesehen, hatte Brandt den Notizzettel beiseitegeschoben und sich an die überfällige Hausarbeit gemacht. Gleich halb acht, er seufzte, denn jeden Moment würde Elvira Klein vor seiner Haustür stehen. Er eilte ins Badezimmer, vernahm das schwingende Brummen des Wäschetrockners und musste grinsen. Hast du deinen beiden Mäusen doch etwas mit auf den Weg gegeben, stellte er freudig fest, denn Michelle hatte sich bereits um die Wäsche gekümmert, und auch das geflieste Sims unter dem Spiegel wirkte aufgeräumt und abgewischt. Nur um das leidige Abstauben und Saugen werde ich wohl nicht herumkommen, dachte Peter Brandt resigniert, aber das kommt auf einen Tag nicht an. Obwohl, wie er insgeheim konstatierte, zwei Stunden monotone Hausarbeit unterm Strich weniger anstrengend sein dürften als das Donnerwetter, mit dem er rechnete, wenn er der Staatsanwältin von den beiden zwielichtigen Baustellen berichten würde, die sich in der laufenden Ermittlung aufgetan hatten. Brandt beugte sich vor den Spiegel und zog die Stirn in Falten, musterte seine müden Augen, unter denen sich bald ein deutlicher Schatten abzeichnen würde, wenn er noch ein, zwei Nächte Schlafdefizit anhäufen würde. Mit seinen Fingern spielte er nachdenklich an den bunten Schraubdeckeln des halben Dutzends Tiegeln mit Gesichtscreme herum, die Michelle fein säuberlich in eine Reihe sortiert hatte. Doch damit fängst du gar nicht erst an, dachte Brandt grimmig und zog seinem Spiegel-Ich eine Grimasse. Dann hatte es an der Haustür geläutet.
Sie saßen bei einer halb geleerten Flasche Rotwein, Elvira hatte die Beine angewinkelt und die Füße unter einer Wolldecke verborgen. Sie lehnte an Peters Schulter und lauschte der leisen Musik. Es handelte es sich um einen Sampler, die melodischen Klänge erinnerten an ein Kuschelrock-Album, genau das Richtige, um den anstrengenden Bürotag hinter sich zu lassen. Doch sie spürte, dass ihr Partner noch nicht so weit war, denn er saß verspannt neben ihr und rieb nervös mit dem Daumennagel über eine Unebenheit am Fuß seines Weinglases.
»Schatz, was bedrückt dich denn?« Elvira fuhr Peter mit ihrer Rechten durch die Haare am Hinterkopf.
Ein tiefer Seufzer erklang, und er beugte sich nach vorn, um das Glas auf den Tisch zu stellen. Danach wandte er sich ihr zu und bedachte sie mit einem festen Blick. Der Moment der Wahrheit, dachte er und hüstelte kurz, bevor er zu sprechen begann.
»Hör mal, ich habe dir heute Mittag nicht alles erzählt,
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