Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Harley-Kopien – braucht man sich im Club gar nicht erst blicken zu lassen. Wenn man beitritt, dann in dem Bewusstsein, dass es eine Entscheidung für immer ist. Denn nur wenn man dem Club auf ewig treu ist, behält man das Recht, seine überschriebene Maschine zu fahren.«
»Hm. Das bedeutet ja im Umkehrschluss, dass Ihr Bruder irgendwie auf Nummer sicher gehen wollte oder seine Absichten nicht clubkonform waren«, kombinierte Julia Durant.
»Nein. Es bedeutet nur, dass er seine uralte Harley vor Jahren dem Club überschrieben hat. Eine reicht«, sagte Marion Kühne achselzuckend, »zumindest hat er das mir gegenüber so behauptet, als ich den Kaufvertrag für die neue auf meinen Namen abgeschlossen habe. Genügt Ihnen das?«
»Es klingt zumindest plausibel«, nickte Brandt, »vielen Dank.«
Kaum dass die Tür hinter den beiden Ermittlern ins Schloss gefallen war, schälte sich ein Schatten aus dem Treppenaufgang. Er gab sich keine besondere Mühe, auf leisen Sohlen zu treten, sondern stapfte in gleichmäßiger Schrittfolge und ohne Hast die Stufen hinauf. Oben angekommen, klopfte er mit dem Knöchel auf Marion Kühnes Türblatt. Diese hatte sich gerade in der Küche ihre Zigaretten und einen Kaffee geholt und wollte hinüber ins Wohnzimmer gehen, als sie das dumpfe, beharrliche Pochen vernahm. Marion zog die Augenbrauen zusammen und fragte sich, ob diese Durant am Ende noch weitere Fragen ersonnen hatte, mit der sie ihr nun auf den Geist gehen wollte. Drei Mal hatte sie ihr bereitwillig Auskunft gegeben. Heute, in Gegenwart dieses freundlichen Kollegen, war sie mit den Kommissaren sogar ein wenig warm geworden. Sie erledigten nur ihren Job, das gestand sie ihnen zu, so wie sie den ihren verrichtete und es überhaupt nicht schätzte, wenn andere ihr reinreden wollten. Widerwillig entschied sie also, die Tür erneut zu öffnen. Sie wissen ohnehin, dass du zu Hause bist, dachte sie, während sie die Sicherheitskette aus der Metallschiene zog und die Klinke hinabdrückte.
Sofort schob sich ein dunkler Arbeitsstiefel und eine hellblaue Jeans durch den Türspalt, eine kräftige Hand mit dunkel unterlaufenen Fingernägeln zwängte sich zwischen dem Holz hindurch, und mit stockendem Atem blickte Marion in das zu einem teuflischen Grinsen verzogene Gesicht von Lutz Wehner.
»Du?«, hauchte sie in tonlosem Entsetzen.
»Wer denn sonst?«, erwiderte dieser höhnisch und lachte kehlig. »Die Bullen sind jetzt lang genug hier herumgehangen, so toll hast du’s hier ja auch wieder nicht. Oder erwartest du ’nen Lover, von dem ich nichts weiß?« Ein weiteres gutturales Lachen, welches Marion mehr wie ein Bellen vorkam, und der muskulöse Körper des Mannes, dem sie um Längen unterlegen war, stand in ihrem Flur und drückte die Wohnungstür zu.
»Nein«, erwiderte sie unsicher und versuchte, seinem bohrenden Blick auszuweichen.
»Natürlich nicht«, knurrte Lutz. »Ich würde auch keinen Nebenbuhler dulden, das solltest du mittlerweile wissen. Schlimm genug, dass du damals diese Hühnerbrust im Arztkittel angeschleppt hast, aber den Zahn haben wir dir ja gezogen.« Er kicherte hämisch und zog seine Jacke aus.
Marion Kühne musste schlucken, denn die beiden Polizisten hatten Alexanders Namen vorhin ebenfalls erwähnt. Fieberhaft überlegte sie, ob sie das Thema ansprechen oder ob sie Lutz darüber im Ungewissen lassen sollte, gelangte jedoch zu keiner Entscheidung. In diesem Moment läutete das Telefon, und beide zuckten zusammen. Instinktiv setzte sie sich als Erste in Bewegung, denn es gellte lautstark durch den engen Flur und hörte auch nicht nach zwei Signalzeichen wieder auf.
»Halt!«, zischte Lutz und sprang mit einem großen Satz auf den Apparat zu. »Ich mache das.«
»Aber du kannst dich doch nicht einfach melden.«
»Muss ich ja nicht. Wenn’s die Bullen sind, gut, dann haben sie gleich einen Beweis für das Alibi. Du hast es ihnen doch bestätigt?«, hakte er misstrauisch nach, und Marion nickte schnell.
»Ich warne dich, Mädchen, wenn du lügst …« Er riss vielsagend die Augen auf und fuhr sich mit dem rechten Zeigefinger langsam über die Kehle. Dabei öffnete er den Mund und hob die Zunge leicht an. Mit der anderen Hand nahm er den Hörer ans Ohr, stumm, ohne einen Laut von sich zu geben.
Marion Kühne lief es eiskalt den Rücken hinunter. Ihr Herz pochte bis zum Hals, sie spürte kalten Schweiß, stand aber angewurzelt und regungslos da wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange.
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