Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
nicht von Ihnen, ganz im Gegenteil«, sagte Berger schnell. »Ich möchte Sie dabeihaben, weil ich von Ihnen weiß, dass Sie sich von solchen Dingen nicht in Ihrem Urteil beeinflussen lassen. Die Familie hat sich an mich gewandt, aber wir sind viel zu gut befreundet, als dass ich mich da alleine heranwagen möchte. Dafür ist’s mir zu heiß, ich will nicht übernächstes Jahr abtreten mit dem Ruf, Vetternwirtschaft oder Strafvereitelung betrieben zu haben, verstehen Sie?«
»Nein, um ehrlich zu sein, verstehe ich noch gar nichts«, erwiderte Julia. »Aber ich vertraue Ihnen und Ihrem Urteilsvermögen, deshalb bin ich mit im Boot.«
»Dafür haben Sie was gut bei mir«, murmelte Berger dankbar. »Ich hole Sie in zehn Minuten ab, in Ordnung?«
»Meinetwegen. Sagen wir besser fünfzehn.«
Julia Durant plazierte das Telefon in der Ladestation im Flur und tippte eilig eine knappe SMS an Claus Hochgräbe, dass sie unerwartet wegmüsse und sich, falls es zu spät würde, erst am nächsten Tag melden würde. Danach eilte sie ins Bad, betrachtete ihr Spiegelbild und trug mit routinierten Handgriffen etwas Puder auf und fuhr sich mit einem dezenten Schminkstift über die geschürzten Lippen. Alles in allem, dachte sie, sieht man dir das Alter nun wirklich nicht an. Für Wechseljahre und solchen Kram bist du jedenfalls noch nicht bereit, schloss sie dann mit einem grimmigen Grinsen und machte sich auf ins Schlafzimmer, wo sie den Garderobenschrank inspizierte. Sie entschied sich für eine dunkelblaue Jeans und eine helle Bluse, die ihre Weiblichkeit nicht übermäßig betonte. Herbert Cramer stand in dem Ruf, ein Schürzenjäger zu sein, wenngleich Julia Durant von keinem konkreten Fall wusste. Möglicherweise nur ein Gerücht, dachte sie, aber du musst dich nicht präsentieren, wie manch andere Kolleginnen es tun. Das Gleiche gilt für seinen halbstarken Sohn. Sie griff nach einer Weste aus dunklem Stoff, die gut zu der Jeans passte und die sie seit langem nicht mehr getragen hatte.
Sie warf einen Blick auf die Uhr. Höchste Zeit, dachte sie und entschied sich, draußen vor der Tür auf Berger zu warten.
Montag, 21:10 Uhr
D as Haus der Cramers lag in einem ruhigen Wohnviertel Mörfeldens, das Rauschen der Autobahn im Hintergrund und die Betriebsamkeit des nur einen Steinwurf entfernt gelegenen Flughafens fielen hier, zu dieser Stunde zumindest, kaum auf. Es hatte zwei Etagen, Julia vermutete, dass das Objekt ursprünglich für zwei Familien vorgesehen gewesen und nun entsprechend umgestaltet worden war. Helle, offene Bauweise, schräg abfallendes Flachdach, zur Straßenseite hin wenige schmale Fenster, aber nach hinten, wo sich eine beleuchtete Gartenanlage mit starkem Grenzbewuchs eröffnete, waren zwei große Panoramagläser eingelassen. Eine offene Holztreppe führte nach oben, von wo gedämpfte Musik aus einem der verschlossenen Räume klang. Doch Herbert Cramer, der Berger und Durant mit einem matten Lächeln empfing, wies mit der Rechten hinter sich in Richtung Wohnzimmer, zu dem zwei Marmorstufen hinabführten. Auf einem cremeweißen Ledersofa mit eckigen Polstern und niedriger Lehne saß eine Frau, die Julia auf Anfang fünfzig schätzte. Mit nervöser Anspannung blickte sie in das flackernde Feuer, welches in warmen Orangetönen aus dem gemauerten Specksteinofen schien. Die Kommissarin vermeinte die Hitze bereits zu spüren und schlüpfte rasch aus ihrem Mantel.
»Bitte, meine Frau erwartet Sie bereits«, raunte Cramer, während er Durants Mantel an die Garderobe hängte. Herbert Cramer musste in Bergers Alter sein, hatte sich aber erstaunlich gut gehalten, war eins fünfundsiebzig groß, hatte dunkle, graumelierte Haare, und außer einem kleinen Bauchansatz wirkte er gut trainiert. Cramer hatte sich als Jurist im Rhein-Main-Gebiet früh einen gewissen Ruf erarbeitet, einige Veröffentlichungen, meist Kommentare zu Gesetzestexten, vorzuweisen und war schließlich vor vier Jahren zum stellvertretenden Polizeichef ernannt worden. Auf die Frage, ob er das Amt des Polizeipräsidenten anstrebe, hatte er stets verschmitzt lächelnd die Antwort verschwiegen. Von Berger wusste Julia, dass Cramer mächtige Freunde hatte, darunter auch auf der Ebene des LKA und des BKA.
»Entweder«, so hatte Julias Chef gemunkelt, »sitzt er auf dem Absprung in eine andere, noch bessere Position in Wiesbaden, oder aber er sägt klammheimlich am Stuhl des Präsidenten.«
»Warum fragen Sie ihn nicht, wenn Sie so dicke Freunde
Weitere Kostenlose Bücher