Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Gegenteil. Es geht darum, Unrecht zu vermeiden, das geschehen könnte, wenn vorschnell gehandelt wird.«
»Ich bin ganz Ohr«, nickte die Kommissarin und lehnte sich zurück.
Nervös rieb sich der Vizepräsident die Hände, stand dann auf und eilte zu einer Glasvitrine, in der verschiedene Karaffen standen.
»Einen Drink?«, fragte er, während er mit schweren Kristallgläsern klapperte. »Ich habe einen hervorragenden irischen Whiskey, Single Cask Malt, praktisch unbezahlbar. Nicht dass Sie das als Bestechungsversuch werten …«
»Danke, für mich nicht«, lehnte Julia ab. Cramer war in nervöses Plappern verfallen, ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Wahrheit nicht mehr weit entfernt lag.
»Ich nehme einen, aber nur wenig, bitte«, lächelte Berger.
Cramer warf einen flüchtigen Blick in Richtung seiner Frau, diese schüttelte schweigend den Kopf, danach kehrte er mit einem recht vollen und einem zwei Fingerbreit gefüllten Glas zurück.
»Eigentlich fast zu schade zum Trinken, aber viele machen den Fehler zu denken, ein zehn Jahre alter Whiskey würde in der Flasche, wenn er da noch mal so lange steht, zu einem zwanzigjährigen heranreifen. Völliger Blödsinn«, brabbelte er und setzte sich wieder. »Aber was rede ich, wir sind ja nicht wegen meines Irish hier.«
»Es geht um Ihren Sohn, wenn ich das richtig verstanden habe«, hakte Julia ein und warf einen fragenden Blick in Richtung Zimmerdecke. »Sollte er nicht dabei sein, wenn wir über ihn sprechen?«
»Später«, antwortete Cramer. »Er weiß aber, dass Sie hier sind.«
»Hm.«
»Er hat mich sogar darum gebeten, Ihnen das ganze Drumherum schon einmal zu schildern. Dann muss er nachher nicht bei null anfangen.«
»Aber befragen darf ich ihn schon, hoffe ich?«, erwiderte Julia argwöhnisch. »Wenn er etwas angestellt hat, sollte er auch dazu stehen. Wie alt ist er, siebzehn?«
»Neunzehn.«
»Fast zwanzig«, wisperte Frau Cramer und klang fast ein wenig vorwurfsvoll. Womöglich unterstellte sie ihrem Ehemann, nicht einmal zu wissen, wie alt genau sein Sohn war, dachte Julia, um im nächsten Moment insgeheim den Kopf über sich zu schütteln. Da ging sie in ihrer Interpretation wohl eindeutig zu weit.
»Stimmt, nächste Woche hat er ja Geburtstag«, sagte Cramer lächelnd, »also dann eher zwanzig als neunzehn.«
»Alt genug also, um in den Erwachsenenvollzug zu kommen«, konstatierte Julia provokant. »Nun gut, dann beginnen Sie am besten ganz von vorn. Darf ich mir Notizen machen oder soll ich lieber Zwischenfragen stellen?«
Die Eheleute wechselten einen Blick, dann sagte Cramer: »Fragen Sie besser hinterher. Es dauert auch nicht lange, ich fasse mich kurz. Von Notizen halte ich nicht sonderlich viel, denn das, was wir hier besprechen, soll das Haus besser nicht verlassen.«
Obwohl der Kommissarin erneut auf der Zunge lag, dass sie sich nicht für eine Strafvereitelung hergeben würde, nickte sie schweigend und signalisierte damit dem Vizepolizeichef, mit seiner Schilderung zu beginnen.
Montag, 20:55 Uhr
D ie Nachrichten unterbrachen das Musikprogramm auf FFH, welches aus den Boxen des kleinen, batteriebetriebenen Radios quäkte und sich gegen die dumpfen Bassschläge der Anlage im Inneren des Hauses durchzusetzen versuchte. Mit hochgekrempelten Ärmeln seines Kapuzenpullis, den er unter einer löchrigen, ölverschmierten Latzhose trug, stand Lutz mürrisch brummend über den Motorblock eines VW Polos gebeugt.
»Scheißkiste«, schimpfte er und hieb mit einem großmäuligen Gabelschlüssel auf die nächstbeste Metalloberfläche. Dann drehte er sich zu seinem Nebenmann um, der rauchend und gleichgültig in den Nachthimmel glotzend neben dem Flutlicht stand, das auf einem Dreifuß montiert den Bereich in grelles Licht tauchte. Doch Lutz’ wahrer Frust galt nicht dem Kleinwagen, dessen halbes Innenleben auf dem Boden um ihn herum verstreut zu liegen schien.
»Wo bleibt der kleine Wichser denn?«, knurrte er. »Haben wir acht oder neun Uhr?«
»Neun.«
»Verdammt. Den sehen wir heute nicht mehr, hat wahrscheinlich die Hosen gestrichen voll.«
»Hat er was ausgefressen?«
Lutz hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Verdammt. So simpel gestrickt sein Handlanger auch war, er musste ihm nicht alles auf die Nase binden. Mochte zwar sein, dass er die Bullen ebenso verabscheute wie jeder hier auf dem Platz, aber wenn es hart auf hart kam, knickten die Dummen als Erstes ein, und dann wäre das Drama groß.
»Er ist
Weitere Kostenlose Bücher