Teufelsberg: Roman (German Edition)
man
takes more than a license for a gun
confront your enemies avoid them when you can
a gentleman will walk but never run.
Friedrich rutschte im Sessel hin und her und ließ den Blick durch den Raum gleiten. Falko zog am Kopfhörer, bis die Stöpsel ihnen beiden aus den Ohren rutschten. Die Stöpsel baumelten jetzt in der Luft und zischten leise vor sich hin.
»Mir ist gerade ein Gedanke gekommen. Vielleicht war der Kopfhörerjunge der Teufel, und als ich ihm eben mein iPhone gab, nahm er meine Seele. Er hat mich ausgetrickst, er hat so freundlich und tapfer getan, aber in Wahrheit … Irgendwann sind wir so weit, irgendwann ist die Seele ein iPhone, und Gesundheit gibt es als App. Aus Psychiatern werden Programmierer. Man kann dann sogar seine Seele löschen und eine andere downloaden, in Seelentauschbörsen im Internet. Es wird natürlich auch Malware geben, die Depressionen und Schizophrenie verbreitet, und teure Antivirenprogramme, für Privatpatienten gratis. Und Hacker wird es geben, böse Menschen, die eine gute Seele haben wollen und irgendwo eine anzapfen. Glaubst du das, Kommissar, dass sich ein böser Mensch nach einer guten Seele sehnt? Ist der Teufel darum süchtig nach Seelen, weil er gut werden will? Zockt er darum die Leute ab? Das ist wie bei Buffalo Bill aus dem ›Schweigen der Lämmer‹, der näht sich ein Kleid aus Frauenhaut, weil er so gern eine Frau sein will. Er ahnt nicht, wie böse er ist. Und dem Teufel geht es ähnlich. Aber wenn das so ist, warum gibt Gott dem Teufel nicht einfach eine gute Seele ab? Er hat doch genug davon, er könnte doch sagen, Alter, hier hast du eine gute Seele, ab jetzt aber Ruhe im Kasten. Dann wäre alles geritzt. Aber nein, der geizige Herr Gott will alles Gute für sich allein. Scheiße, der Irrsinn hier steckt mich an. Bin ich schon eine Zombieameise, und wächst mir ein Pilz aus dem Kopf? Hat es schon plopp gemacht? Es wird Zeit, dass ich gehe.«
Es klopfte an der Tür, und Vosskamp trat ein. Er trug am Wochenende keinen Kittel, sondern ein grünes Polohemd, das er in den Bund seiner anthrazitfarbenen Hose gesteckt hatte. Er hatte einen kurzen, breiten Oberkörper, wie ein Schauspieler aus einem alten Boxfilm, als es noch keine Fitnessstudios gab. In der Hand hielt er einen flachen Stapel Hängeregistermappen.
»Guten Morgen, die Herren.«
»Bin schon draußen«, sagte Falko und verließ den Raum, um auf dem Stuhl neben der Tür zu warten, bis er an die Reihe kam. Er schaute auf Xavers Tür gegenüber und überlegte, ob er anklopfen sollte. Aber er tat es nicht.
»Es ist nicht wahr, was der Kopfhörerjunge gesagt hat«, flüsterte er gegen Xavers Tür, »dass ich mich nicht opfern kann und nicht an die anderen denke. Ich habe doch etwas für dich getan und den Text besorgt, den du für Vosskamp schreiben solltest. Ich habe nichts dafür verlangt. Und dann noch die geniale Überschrift erfunden. Und Sylvia, die habe ich nur verschont, weil du sie so magst, sie und ihren auratischen Arsch. Ich hätte ihr einen Affen angedreht. Bei ihr wäre was zu holen gewesen. Ihr Mann ist Anwalt, der scheffelt Geld. Aber ich habe auch so genug. Vierzigtausend von Beate und zwanzigtausend von Lotti sind okay. Heute Nachmittag beginnt mein neues Leben. Ich wollte dir nur auf Wiedersehen sagen.«
Falkos Zimmertür öffnete sich, und Vosskamp steckte den Kopf durch den Türspalt.
»Kommen Sie, Herr Sprenger?«
Falko ging zurück.
»Lassen Sie Herrn Bialla ruhig in seinem Sessel sitzen«, sagte er zu Vosskamp. »Der stört nicht, und den stört wohl auch nichts mehr.«
»Schön, schön«, sagte Vosskamp, setzte sich an den Tisch und wies auf den freien Stuhl gegenüber. Falko nahm Platz. Hinter sich hörte er Friedrich atmen.
»Wir haben uns ja schon am Mittwoch in der Visite kennengelernt«, begann Vosskamp. »Wie ist es Ihnen in Ihrer ersten Woche hier ergangen?«
»Sehr gut«, sagte Falko.
»So?«
»Ja, die Therapien haben richtig was gebracht, vor allem die Musiktherapie. Ich fühle mich wieder gesund.«
»Hm.«
»Jedenfalls möchte ich heute nach Hause.«
Vosskamp strich sich über das Kinn, das kurz und eckig war. Falko fiel auf, dass die Peripherien von Vosskamps Gesicht klein geraten waren. Nicht nur das Kinn, sondern auch der Haaransatz über der fleischigen Stirn und die Ohren wirkten zierlich. Vosskamp suchte Falkos Akte aus dem Stapel und blätterte darin.
»Sie machen mir Sorgen, Herr Sprenger.«
»Wieso? Ich habe doch gerade gesagt, dass ich
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