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Teufelsberg: Roman (German Edition)

Teufelsberg: Roman (German Edition)

Titel: Teufelsberg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Dannenberg
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ist?«
    »Es ist doch einfach nur ein nettes Lied. Warum darf man sich nicht darüber freuen?«
    »Ich habe ja nichts gegen schnulzige Momente. Aber Reinhard Mey ist verlogen. Diese putzige Stimme, und wie er stundenlang seine Lieder ankündigt, atemlos, als wäre er gerannt, und wie er beim Singen das Gesicht verzieht, so scheiß sensibel. Das kann dir gar nicht geholfen haben.«
    »Doch.«
    Falko begann zu lachen. »Wirklich, ich habe hier schon die dollsten Dinger erlebt. Aber Reinhard Mey als Retter, das ist stark.«
    »Es ist nicht leicht für mich, mit der Krankheit klarzukommen«, sagte der Junge. »Arbeiten kann ich nicht, ich kann mich nicht konzentrieren. Und beim Essen muss ich aufpassen, ich werde schnell dick, wegen der Medikamente. Eigentlich esse ich nur noch Gemüse, Gemüse und Knäckebrot. Übermorgen habe ich ein Vorstellungsgespräch bei der Kirche, ich will ehrenamtlich in der Suppenküche arbeiten. Vielleicht nehmen die mich.«
    Falko hörte auf zu lachen. Er wischte sich über das Gesicht. »Du bist noch so jung. Und ganz dumm bist du auch nicht. Du kannst doch was Besseres finden als eine Arbeit in der Suppenküche, du kannst was aus deinem Leben machen.«
    »Irgendwann vielleicht«, sagte der Junge. »Geben Sie mir mal Ihr Handy. Ich kopiere Ihnen das Lied von Reinhard Mey via Bluetooth. Vielleicht hilft es Ihnen auch.«
    »Da sei Gott vor.« Falko schüttelte den Kopf.
    Dann reichte er dem Jungen sein iPhone.
    Als er zurück in sein Zimmer kam, saß Friedrich angekleidet im Fernsehsessel; er trug Hose und Hemd, darüber eine Strickweste, sogar eine Krawatte hatte die Schwester ihm umgebunden. Vor dem schwarzen Leder sah sein Körper noch zierlicher aus, als wäre er in einem Schaukasten festgepinnt, die Lehne ragte weit über seinen Kopf, seine Füße schwebten über dem Boden. Sie steckten in grauen Filzpantoffeln. Der Fernseher lief, lautlos. Friedrich sah kurz zu Falko hin. Der ließ sich in seinen Fernsehsessel fallen.
    »Reinhard Mey!«, rief er. »›Über den Wolken‹! Wie ist das zu verstehen? Mal überlegen, was Xaver sagen würde. Er würde sagen: Das Banale tut uns gut, weil darin ein Geheimnis steckt. Das Geheimnis gibt vor, nicht da zu sein, damit wir es in Ruhe lassen, und das Banale ist sein Schutzschild. Wir dürfen ruhig den Schild bekämpfen, alles dahinter bleibt unversehrt. Reinhard Mey ist keiner, der hinter den Schild blicken kann. Er ist der Schild, und wahrscheinlich rafft er es nicht. Aber das ist egal.«
    Falko lachte auf, aber Friedrich reagierte nicht.
    »Du könntest auch mal was sagen. Dass ich fast schon so klug bin wie Xaver. Oder wenigstens, dass du nur Bahnhof verstehst. Hallo, Kommissar?«
    Er klatschte ein paarmal in die Hände, aber der Alte blieb stumm. Eine Weile schwang Falko in seinem Sessel hin und her und beobachtete ihn. Die Haare der Augenbrauen waren drahtig und wuchsen nach oben. Auch aus den Ohren wuchsen Haare, und die Ohrmuscheln waren von weißen Kränzen umrahmt.
    »Meine Schwester hat The Police gehört. Bevor sie Leia wurde und ich Luke, bevor wir durchs Krankenhaus und durch die Hoffnung flogen. Ich konnte mit ihr reden, Kommissar. Weil wir beide im Weltall waren, während sie im OP verblutete, und weil es so still war. Wir konnten unsere Gedanken hören. Sie versprach mir, zu überleben, und ich versprach ihr, sie nie mehr wegen ihrer Titten auszulachen. Es war ein schlechter Deal. Denn sie hat ihr Versprechen gebrochen, aber meins musste ich für immer halten. Da sind ja keine Titten mehr, über die ich lachen kann, da ist gar nichts mehr. Prinzessin Leia hat mich verarscht.«
    Er nahm die Kopfhörer, zwei kleine weiße Stöpsel, aus der Tasche seines Jacketts und entwirrte das Kabel. Dann rutschte er mit seinem Sessel näher an Friedrich heran, steckte ihm den einen Stöpsel ins Ohr und sich selbst den anderen. Er öffnete iTunes, wählte den Titel »Englishman in New York« aus der Liste, zog die Lautstärke ganz nach oben und drückte auf Play. Die Musik war so laut, dass Friedrich zusammenzuckte. Falko stellte sie etwas leiser.
    »Symphonicities. Nicht schlecht, wie Sting die Hits von damals noch mal neu aufgenommen hat mit dem Royal Philharmonic Concert Orchestra. Achtung, gleich kommt meine Lieblingsstelle. Gleich nach der Klarinette.«
    Er tat so, als hielte er eine Klarinette in den Händen, wiegte den Oberkörper und bewegte die Finger auf dem unsichtbaren Instrument. Dann sang er mit.
    Takes more than combat gear to make a

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