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Teufelsberg: Roman (German Edition)

Teufelsberg: Roman (German Edition)

Titel: Teufelsberg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Dannenberg
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erinnert. Als hätten sich alle gegen mich verschworen.«
    Er drückte seine Zigarette aus und stellte den Aschenbecher wieder auf den Tisch.
    »Danke für die Friedenspfeife. Und sei mir nicht mehr böse.«
    »Aber du hast mir doch gar nichts getan«, sagte Beate. »Wo genau ist denn die Klinik?«
    »Lass die Finger davon. Die sind noch in der Testphase und ohnehin auf Jahre ausgebucht.«
    Beates Gesicht verzerrte sich, so enttäuscht war sie. Sie war froh, dass es dämmrig im Raucherraum war und Falko sie nicht genau sehen konnte.
    »Warum hat man dich denn rausgeworfen?«, fragte sie, um von sich abzulenken.
    »Ich war doch nur der blöde Finanzheini. Meine Partner meinten, ich hätte das Verfahren nicht miterfunden. Was soll’s, von der Abfindung kann ich mir ein gutes Leben machen, und die haben einen Patentstreit mit den Briten am Hals, den sie möglicherweise verlieren. Eigentlich sollte ich froh sein.«
    »Aber ich muss für immer der Beißer bleiben«, sagte Beate leise. »Und niemand hilft mir.«
    Später holte sie sich im Dienstzimmer ihre Nachtmedikation und eine zweite Promethazin. Die Nachtschicht hatte der kleine, dicke Pfleger Ingo, er kippte Wasser aus einer Glaskanne in einen Plastikbecher, zum Runterspülen.
    Beate wollte nicht in ihr Zimmer zurück, sie wollte Sylvia nicht mehr begegnen. Darum setzte sie sich auf das Sofa am Ende des Flures. Von dort aus ging der Blick durch ein großes Fenster in den Vorhof der Cardea. Zwischen leeren Bänken standen angeleuchtete Bäume. Beate drehte den Kopf und betrachtete das Bild von Horst Vierer, das zwischen zwei Halogenlampen an der Wand hing. Auf dem Bild waren bunte Strichmännchen zu sehen, die vom Himmel fielen. Offenbar wurde hier eine Naturkatastrophe dargestellt, die Leute wurden durch die Luft geschleudert und landeten auf einer Blumenwiese. Von dort aus brachte man sie in ein Krankenzimmer, das ganz unten am Bildrand zu sehen war.
    Nach einer Weile kam der Nachtpfleger zu ihr. »Na, Sie wissen wohl nicht, wohin? Sie haben jetzt das Einzelzimmer von Frau Fechner. Die ist schon zu Frau Berger gezogen. Ich habe Ihre Sachen rübergebracht. Abendessen habe ich Ihnen hingestellt. Sie müssen mehr essen, bei Ihrem Untergewicht.«
    Das Zimmer ging zum Innenhof. Das Fenster war halbkreisförmig und reichte Beate bis zur Brust. Um hinaussehen zu können, musste sie sich bücken. Sie sah im Hof die oberen, verbreiterten Teile der Glasolexsäulen, die ein Dickicht bildeten. Ihre Kleider hatte der Pfleger aufs Bett gelegt, bevor er es in ihr neues Zimmer geschoben hatte. Langsam begann das Promethazin zu wirken.
    Sie räumte den Schrank ein. Dann ging sie ins Bad und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Sie besuchte regelmäßig das Solarium und trug Make-up, sie hatte die Haare blondiert und föhnte sie jeden Morgen über eine runde Bürste. Jetzt war alles zerzaust. Beate war so mager, dass sich an Kinn und Wangen keine Lappen bilden konnten, die Falten wirkten wie straffgezogene Bänder.
    Beate ahnte, dass der Beißer sich nicht mit ihren Zähnen begnügen würde. Er wollte alles haben. Sie bekam Angst, aber die Angst lag unter knirschenden, weißgrauen Kissen. Und ohne nachzudenken, nahm Beate ihr Handy aus der Gürteltasche und wählte die Nummer ihrer Tochter.
    Es tutete ein paarmal.
    »Hallo?«, meldete sich Tatjana. »Wer ist da?«
    »Ich bin es, Mama«, sagte Beate. »Wo warst du Heiligabend?«
    In der Leitung blieb es lange still. Beate hörte nur das Atmen ihrer Tochter und dachte an ihr Gesicht, an den weichen Schimmer ihrer Augen.
    »Mama«, sagte Tatjana schließlich, »bitte rufe mich nicht mehr an. Ich habe es dir tausendmal gesagt, aber du checkst es nicht!«
    »Aber ich bin doch deine Mutter!« Beate hörte die eigene Stimme wie von einem Tonbandgerät. Sie sah sich im Spiegel, das Handy am Ohr, ihr Gesicht hing fransig in der Leere.
    »Du hast mich lange genug erdrückt«, sagte Tatjana. »Aber jetzt will ich leben.«
    »Aber ich will ohne dich nicht leben«, flüsterte Beate.
    »Hör endlich auf, mich zu erpressen!«, sagte Tatjana. »Wenn du sterben willst, ist das dein Ding, kapiert?« Sie legte auf.
    Es tutete schnell und aufgeregt im Hörer. In den ersten Tönen lag noch etwas Wärme, dann wurden sie immer steriler. Beate ließ das Handy sinken. Sie spürte Schläge unter dem Brustbein. Zuerst glaubte sie, ihr Herz zu spüren, den Schmerz, den Tatjana ihr zugefügt hatte. Dann merkte sie, dass die Schläge von einem Fremdkörper

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