Teufelsengel
Bruderschaft lehnt alles ab, was es an Neuerungen in den vergangenen Jahrhunderten gegeben hat.
»Wir würden uns gern ein wenig umsehen«, sagte er, als Bruder Rafael seinen kleinen Vortrag beendet hatte.
Bruder Rafael stand sofort auf und bot ihnen an, sie zu führen. Er wirkte gleichermaßen erleichtert und besorgt, eine Mischung, die Berts Interesse weckte.
Draußen erklärte er ihnen, welches Gebäude welchem Zweck diente. Er ließ sie einen Blick in das Foyer des Gästehauses werfen, das von drei überlebensgroßen Engelsstatuen beherrscht wurde, und in die Küche, in der ein Mann an dampfenden Töpfen werkelte. Er war etwa Mitte dreißig, klein und schmal, hatte schütteres blondes Haar und blinzelte durch die dicken Gläser einer funkelnden Goldrandbrille.
»Darf ich vorstellen: Bruder Lars. Er vertritt unseren erkrankten Bruder Miguel, der eigentlich für die Küche zuständig ist. Eine undankbare Aufgabe, denn Bruder Miguel ist ein Meister seines Fachs. Sie sollten einmal seine Süßspeisen probieren und vor allem seine selbst gemachten Pralinés.«
Bruder Lars lächelte schüchtern und wischte sich, bevor er Bert und Rick begrüßte, die Hände an einem Geschirrtuch, das er an seiner Schürze befestigt hatte. Er war mit Jeans und Turnschuhen bekleidet. Einzig der Priesterkragen unter seinem dunkelblauen Pullover verriet, dass er ein Geistlicher war.
Rick hielt ihm die Fotos hin.
Bruder Lars versuchte so krampfhaft, seinen Mitbruder nicht anzuschauen, dass es jedem auffiel. Er schüttelte den Kopf und wandte sich wieder dem Herd zu.
Eigenartig, dachte Bert auf dem Weg nach draußen. War der Mann wirklich extrem schüchtern, war er stumm oder hatten die Mönche etwas zu verbergen?
Sie folgten Bruder Rafael in die Kirche, die bescheiden und schlicht war, ohne Pomp und Trara. Der große Raum war nicht zum Repräsentieren gedacht, sondern zum Beten, und dafür bot er alles, was nötig war.
»Welchem Zweck dient der Seitenflügel?«, fragte Bert.
»Der beherbergt unseren Vater«, erklärte Bruder Rafael. »Er hat eine tiefe und innige Beziehung zu Gottes Haus.«
Bert stellte fest, dass er die Sprache, die man in diesen Kreisen benutzte, nicht mochte. Sie umschrieb und bemäntelte und sagte nichts aus.
»Die übrigen Brüder haben diese Beziehung nicht?«, fragte Rick.
»Doch. Selbstverständlich.« Bruder Rafael lächelte. »Aber in unserer Bruderschaft hat Vero, unser Abt, eine herausragende Stellung. Er hat das Privileg, als Einziger ganz nah beim Herrn zu wohnen.«
»Wir würden ihn gern sprechen«, sagte Bert.
Er war neugierig geworden auf diesen Mann, der über einen direkten Draht zu Gott zu verfügen schien.
»Ich werde ihn holen. Wenn Sie bitte so lange in der Cafeteria Platz nehmen möchten?«
Bruder Rafael ging mit langen Schritten voran. Keine Menschenseele begegnete ihnen.
»Ziemlich leer hier, findest du nicht?«, flüsterte Rick. »Dafür, dass die Gemeinschaft aus ungefähr dreitausend Mitgliedern besteht.«
Darüber hatte Bert sich auch schon gewundert. Aber Bruder Rafael hatte ihnen erklärt, dass zwar ab und zu ein Gast für eine Weile bleibe, jedoch nur die Mönche ständig im Kloster lebten.
»Wenn Tagungen stattfinden, geht das hier bestimmt anders zu«, sagte er leise.
In der Cafeteria versorgte Bruder Rafael sie mit Kaffee und Wasser und machte sich dann auf den Weg zu seinem Abt.
»Dieser Vero muss ja eine enorme Ausstrahlung haben«, sagte Rick.
»Haben diese Sektenführer immer«, entgegnete Bert.
»Wobei es sich bei den … wie war das noch … den Getreuen ja streng genommen nicht um eine Sekte handelt.«
»Du irrst dich. Als Sekte bezeichnet man zunächst mal nur eine, in diesem Fall religiöse, Gruppierung, die mit herrschenden Überzeugungen in Konflikt steht. Und die Getreuen haben sich doch von der katholischen Kirche abgespalten, wenn ich das richtig verstanden habe.«
»Nicht abgespalten«, ertönte hinter ihnen eine tiefe, selbstbewusste Stimme. »Wir sind lediglich zum Ursprung des Glaubens zurückgekehrt.«
Bert erhob sich und drehte sich zu dem Mann um, der sich den Namen der Wahrheit gegeben hatte und nun mit ausgestreckter Hand vor ihm stand.
»Bert Melzig«, stellte er sich vor. »Und das ist mein Kollege Rick Holterbach. Schön, dass Sie sich für uns Zeit nehmen können.«
»Behalten Sie doch bitte Platz.«
Vero setzte sich zu ihnen an den Tisch. Bruder Rafael brachte ihm eine kleine Flasche Wasser und ein Glas. Dann zog er sich dezent
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