Teufelsengel
nichts dabei rauskommen.«
»Bist du dir da sicher?«
»Nein. Aber beim Schattenboxen mit der Presse holen wir uns nur unnötig blutige Nasen.«
Auch damit hatte Rick recht gehabt, und Bert hatte beschlossen, Romy Berner nicht anzurufen. Stattdessen hatte er sich für den nächsten Tag selbst mit ihrer Informationsquelle verabredet.
Zu ihr war er nun auf dem Weg.
Corinna Wagner wohnte in einem Haus in der Luxemburger Straße, das vom Erdgeschoss bis unters Dach an Studenten vermietet war. Ihr Zimmer lag im ersten Stock, war groß, ungemütlich und unaufgeräumt. Es roch nach kaltem Zigarettenrauch.
»Kaffee?«, fragte Corinna Wagner. »Tee? Oder lieber Wasser?«
Bert warf einen Blick auf die kleine Küchenzeile, den Berg ungespülten Geschirrs, die Frühstücksreste und den vollgestopften Aschenbecher.
»Kaffee wäre schön.«
Er vertraute darauf, dass Keime in kochendheißen Getränken nicht den Hauch einer Überlebenschance hatten.
»Tut mir leid, dass es hier so aussieht.« Corinna Wagner machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen. »Ich bin ein bisschen unorganisiert, seit …«
Sie war so mager, hielt sich so gebeugt, wirkte so ungeschützt, dass Bert den Impuls verspürte, sie in die Arme zu nehmen.
»Schon in Ordnung«, sagte er.
Dabei war nichts in Ordnung für diese junge Frau. Phrasen, dachte er beschämt. Lauter blöde Phrasen.
»Ich wusste nicht, dass die Polizei auch am Wochenende arbeitet.«
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und nahm zwei geblümte Tassen aus einem Hängeschrank. Neben ihr fing die Kaffeemaschine an zu gurgeln und zu spucken. Dampf breitete sich im Zimmer aus.
»Ich hätte Sie gern schon gestern gesprochen.« Bert versank in der einzigen Sitzgelegenheit, auf der nicht irgendetwas abgelegt war, einem modischen, aber höchst unbequemen Sessel. »Doch da waren Sie anscheinend mit einer Reporterin verabredet.«
Corinna Wagner schob die Zeitungen auf dem niedrigen Ikeatisch zusammen und warf sie auf das Sofa, zu den übrigen Sachen, die sich dort angesammelt hatten. Kleidungsstücke, Bücher, Kugelschreiber, eine aufgerissene Tüte Erdnüsse, ein angebissener Apfel.
»Das war keine Verabredung, das war Zufall.«
»Worüber haben Sie sich unterhalten?«
Ein verwunderter Blick traf ihn. »Ist das nicht meine Privatsache?«
»Beantworten Sie meine Frage trotzdem?«
Sie ging zur Küchenzeile und fing an, in dem Chaos zu kramen. »Hier müssten irgendwo noch Kekse …«
»Für mich nicht«, beeilte Bert sich zu sagen. »Machen Sie sich bitte keine Umstände.«
»Aha.« Sie reagierte nicht auf seinen Einwand. »Wusst ich’s doch.«
Mit spitzen Fingern zog sie eine durchsichtige Tüte unter irgendwelchem Zeug hervor. Sie nahm eine Glasschale aus einem der Schränke und gab die Kekse hinein. Die leere Tüte ließ sie einfach auf das übrige Tohuwabohu fallen.
Es waren Weihnachtskekse. Spritzgebäck, das Bert seit seiner Kindheit verabscheute, weil es sich für ihn hauptsächlich mit Erinnerungen an verwitwete, zänkische, übelriechende Großtanten verband. Er war Corinna Wagner dankbar dafür, dass sie ihn nicht zum Zugreifen nötigte, sondern die Schale kommentarlos auf den Tisch stellte.
Wenig später hatte sie sich den zweiten Sessel freigeräumt und Kaffee eingeschenkt und sie saßen einander gegenüber.
»Ich stand noch so sehr unter dem Eindruck der … der …«
Ihre Lippen bebten, als sie sich vergebens bemühte, das Wort auszusprechen.
»… verzeihen Sie …«
Das Papiertaschentuch, das sie aus ihrer Hosentasche nestelte, war schon durchweicht von Tränen. Sie tupfte sich die Augen und schnäuzte sich kräftig.
»… der Beerdigung. Deshalb haben wir eigentlich kaum geredet. Ich habe von Thomas erzählt und davon, dass er mich ver …«
Sie gab auf, knetete das Taschentuch in den schmalen Händen, rang um Fassung.
»Darf ich Ihnen einige Fragen stellen?«, fragte Bert nach einer Weile behutsam. »Ich weiß, dass es dafür noch zu früh ist, aber wir suchen den Mörder Ihres Freundes, und jeder Tag, den wir verlieren, ist ein Tag für ihn.«
Sie nickte. Gefasst sah sie ihm ins Gesicht.
»Hatte Ihr Freund Feinde?«
Sie schüttelte den Kopf. »Thomas … war ein sehr umgänglicher Mensch. Die meisten mochten ihn.«
»Gab es Fans, die ihm nachstellten?«
»Ich glaube nicht. Dazu war die Band noch zu wenig bekannt.«
»Keine Groupies?«
Du liebe Güte, dachte Bert, kaum dass die Worte aus seinem Mund gekommen waren. Sagt man so was heutzutage
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