Teufelsengel
sie ihm.
Die Tür fiel fast lautlos hinter ihnen zu.
Mit einem Schlag war es so düster, dass Pia warten musste, bis ihre Augen sich an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten.
Der Raum war etwa zwanzig Quadratmeter groß. Hier waren über Jahre Sachen abgestellt worden. Offenbar hatte man sie inzwischen vergessen oder aufgegeben. Alte Fahrräder standen hier, zwischen deren Speichen Spinnen ihre Netze gesponnen hatten, und an der Decke wehten Staubfäden im Luftzug.
Der Efeu hatte sich in die Ritzen gedrückt und war ins Innere gelangt. Doch dort hatte ihm das Licht gefehlt und er war verkümmert. Blass und dürr hing er überall herun - ter.
Pia begann, sich mit dem Versteck anzufreunden. Ihr Blick fiel auf eine Decke, die in der hintersten Ecke auf dem Boden lag. Der Hund würde es hier durchaus gemütlich haben.
»Guck mal, Snoop.« Sie ging in die Hocke und klopfte einladend auf die Decke. »Wie findest du das?«
Snoop kam angelaufen. Vor der Decke blieb er abrupt stehen. Er fing an zu knurren.
»Willst du lieber woanders …«
Pias Blick fiel auf die Holzwand und sie verstummte. Da waren Striche eingeritzt. Immer vier nebeneinander und einer quer darüber. Viele Striche. Je dreißig oder einunddreißig zu einem Päckchen zusammengefasst.
Ein Kalender.
»Mein Gott«, flüsterte Pia.
Snoops merkwürdiges Verhalten verunsicherte sie. Er hatte aufgehört zu knurren und schnüffelte vorsichtig um die Decke herum, sorgsam darauf bedacht, nicht mit ihr in Berührung zu kommen.
Und jetzt erst bemerkte Pia es.
Die Ordnung der Dinge.
Jemand hatte versucht, in diesem Chaos ein Minimum an Behaglichkeit zu schaffen. Zwei hochkant gestellte Obstkisten dienten als Regal. In der einen waren Zeitschriften untergebracht, in der anderen eine abgebrannte Kerze, ein roter Becher mit Fliegenpilzpunkten und ein altmodischer Teller mit Goldrand.
Über allem lag eine feine Staubschicht.
Pias Blick fiel auf das Fenster, an dem ein kleines Schloss befestigt war.
Ein verlassener Ort.
Oder ein Gefängnis.
Snoop fing wieder an zu knurren. Anders diesmal, leiser und tiefer. Drohend.
Mit aufgestelltem Nackenfell starrte er zur Tür.
Dann hörte Pia das Knarren. Sie fuhr herum.
Jemand stand auf der Schwelle. Gegen das Licht konnte Pia sein Gesicht nicht erkennen, doch es musste einer der Brüder sein, denn er trug ein Ordensgewand.
Der Hund schoss auf ihn zu und sprang kläffend vor ihm hin und her.
»Hau ab!«
Pia erkannte die Stimme von Bruder Darius. Sie sah, wie er nach Snoop trat.
Ein helles Winseln.
Die Tür fiel zu.
Bruder Darius kam näher, und jetzt konnte Pia auch sein Gesicht erkennen. Der Ausdruck darin gefiel ihr nicht.
»Na, wen haben wir denn da?«
Pia rannte los, ohne zu überlegen. Sie war an ihm vorbei, bevor er reagieren konnte. Doch gerade als sie die Tür aufgerissen hatte, griff er mit beiden Händen nach ihr.
Sie versuchte, sich loszureißen, doch er war stärker als sie.
»Jetzt mal schön langsam«, sagte er und hielt sie wie eine Puppe im Arm.
Und Pia wusste, sie hatte verloren.
Kapitel 15
Schmuddelbuch, Montag, 17. November
Dass Viren einen so umhauen können! Als ich vom Fühlinger See nach Hause fuhr, ging es los. Mir schlotterten die Glieder, dass ich kaum das Lenkrad halten konnte, meine Zähne klapperten aufeinander, und mein Kopf dröhnte zum Zerspringen.
Als ich mich die Treppe hochschleppte, kam mir Helen entgegen.
»Du liebe Güte«, sagte sie und musterte mich kritisch. »Gib mir fünf Minuten, dann bring ich dir was rauf.«
Helen sollte Ärztin werden, statt ihr Talent in diesem Esoterikladen zu vergeuden. Sie versteht was von Krankheiten und Heilpflanzen und besitzt eine Notfallapotheke, mit der man locker ein Jahr im Urwald überleben könnte.
Ich war gerade ins Bett gekrochen, als sie mir schon eine heiße Wärmflasche unter die Decke schob und anfing, einen höchst verdächtigen Tropfencocktail zu mixen. Nachdem ich ihn brav geschluckt und mich kurz geschüttelt hatte, rieb sie mir Brust und Rücken mit Tigerbalsam ein, legte mir zwei Heilsteine auf den Bauch, drückte mir einen mit irgendwas Magischem getränkten Waschlappen auf die Stirn, stellte mir ein Glas Holunderblütensaft hin und ließ die Rollos runter.
»Versuch zu schlafen«, sagte sie. »In einer Stunde gibt’s die nächste Ration.«
Mit diesen Worten war sie verschwunden. Ich wollte noch ein bisschen nachdenken, doch dabei fielen mir die Augen zu.
Im Traum watete ich durch
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