Teufelsflut
Vermutlich haben Sie keine Waffe bei sich, oder?«
Trudy schaute sich um. Als sie sah, dass der Barkeeper hinter seiner Theke stand und Gläser polierte, griff sie in ihre Jacke und zog eine 6,35 mm Automatik aus ihrem Schulterhalfter.
»Ich weiß, wie man damit umgeht. In New York habe ich in meiner Freizeit Schießstunden genommen. Eigenlob stinkt zwar, aber ich war so etwas wie eine Meisterschützin. Die Waffe habe ich auch nach dem Umzug nach Washington behalten für den Fall, dass mir Bancroft eines Tages über den Weg lief. Als es dann so weit war, konnte ich sie allerdings nicht gebrauchen.«
»Stecken Sie sie wieder zurück. Meine Leute werden gleich zum Abendessen herunterkommen. Sie haben alle schrecklichen Hunger. Und Sie bestimmt auch. Ich werde Sie meiner Truppe als Trudy Warner vorstellen, wenn es Ihnen recht ist.«
»Ich möchte, dass Sie mich beim Vornamen nennen«, sagte Trudy mit einem Lächeln. »Schließlich kennen wir uns ja jetzt schon ziemlich gut.
Und ich möchte gern bei Ihnen bleiben, wo Immer Sie auch hingehen.«
»Ich werde Ihnen morgen früh mitteilen, wie ich mich entschieden habe.
Aber jetzt gehen wir erst einmal in den Speisesaal. Später kommt Hauptmann Charpentier hierher, der etwas mit mir zu besprechen hat.
Bis dahin würde ich gern gegessen haben.«
Nach einem opulenten Mahl hatten alle das Gefühl, noch nicht müde zu sein. Weil niemand zu Bett gehen wollte, lud Tweed alle miteinander in seine Suite ein, um dort noch einen Kaffee zu trinken. Er hatte gerade den ersten Schluck genommen, als das Telefon klingelte. Es war Hauptmann Charpentier, der von der Rezeption aus anrief. Tweed bat ihn heraufzukommen.
Als Charpentier eintrat und die Versammelten sah, runzelte er die Stirn.
Dann blieb sein Blick an Paula und Trudy hängen, die nebeneinander auf einem Sofa saßen. Während des Essens hatten sich die beiden Frauen bereits miteinander angefreundet. Tweed bot dem Schweizer Polizeioffizier einen Sessel und eine Tasse Kaffee an, aber Charpentier zog es vor, stehen zu bleiben.
»Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte Tweed.
»Ich wollte Ihnen eigentlich erzählen, was wir in der Garage gefunden haben«, sagte Charpentier in tadellosem Englisch. »Aber einige Details sind doch ziemlich grauenvoll.«
»Sie denken dabei wohl an die Damen«, sagte Tweed. »Ich kann Ihnen versichern, dass die beiden schon mehr grauenvolle Dinge gesehen haben, als Sie vielleicht annehmen. Sie sind genauso gespannt auf Ihren Bericht wie wir anderen auch.«
»Na schön, wenn Sie meinen…«
Charpentier zog den Mantel aus und setzte sich. Paula brachte ihm eine Tasse Kaffee, die er mit raschen Schlucken austrank.
»Dann will ich mal Klartext reden«, begann Charpentier. »Wir haben in der Tiefgarage mehrere Leichen gefunden, die bis zur Unkenntlichkeit verbrannt waren. Hinter dem Steuer eines Citroën saß ein großer Mann, ein sehr großer Mann sogar. Obwohl sein Körper schlimm verbrannt war, ist der obere Teil seines Kopfes praktisch unversehrt geblieben. Wir glauben, dass er in Flammen stand, als die Feuerwehr sein Auto mit Löschschaum füllte. Später wurde der Schaum dann vom Löschwasser weggespült. Der Mann hatte kurz geschnittene braune Stoppelhaare, die das Feuer nicht erreicht hat.«
»Der Affe«, murmelte Paula vor sich hin.
»Kannten Sie ihn?«, fragte Charpentier, der sie gehört hatte.
»Ja. Ich habe einmal kurz seine Bekanntschaft gemacht. Sie war sehr unangenehm.«
»Können Sie mir seinen Namen nennen?«
»Abel. Aber ich glaube, das war nur sein Vorname. Keine Ahnung, wie er mit Nachnamen hieß.«
Paula hatte die Nachricht von Abels Tod ohne großes Bedauern zur Kenntnis genommen. Eingedenk der Tatsache, dass er sie im zweiunddreißigsten Stock aus dem Fenster gehalten hatte, verspürte sie eher eine gewisse Erleichterung darüber, dass er jetzt kein Unheil mehr anrichten konnte. Tweed sah Trudy genau an. Auch sie hatte bei der Beschreibung keine Anzeichen von Entsetzen erkennen lassen.
Stattdessen beugte sie sich vor und sah den Schweizer interessiert an.
»Ich fahre also fort«, sagte Charpentier. »In einem Renault, der ein ganzes Stück von dem Citroen entfernt stand, saßen zwei männliche Leichen. Die eine, auf dem Beifahrersitz, war groß, aber so verbrannt, dass man ihr Gesicht nicht mehr erkennen konnte. Die Tür stand offen, weshalb wir vermuten, dass der Mann noch aussteigen und sich in Sicherheit bringen wollte. Auf dem Betonboden der Garage fanden wir
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