Teufelsflut
das bislang so stille Tal. Von der gewaltigen Explosion wurde die ganze Hütte in die Luft geschleudert, wo sie in unzählige Teile zerbrach, die wie ein Hagel aus brennenden Trümmern auf Berg und Straße herabprasselten. Tweed zog Paula hinter den Baumstamm und ließ sie erst wieder da hinter hervorschauen, als alles vorbei zu sein schien. Eine dicke Rauchsäule stand über dem Ort, an dem kurz zuvor noch die Hütte gestanden hatte, und wurde gleich darauf von dem eisigen Wind, der urplötzlich aufgekommen war, in schwarzen Fetzen davongetrieben.
Einmal mehr senkte sich eine düstere Stille über Talloires.
Butler, die Maschinenpistole schussbereit in Händen, war der Erste, der sich aus dem Wäldchen herauswagte. Vorsichtig näherte er sich dem Haufen qualmenden Schutts, der kurz zuvor noch die Hütte gewesen war. Paula erkannte, dass er mit einer zweiten Explosion rechnete. Als diese ausblieb, näherte er sich dem Trümmerfeld und stocherte mit dem Lauf seiner Waffe in der Asche herum.
Paula eilte, begleitet von Newman, den Abhang hinauf, während Tweed ihnen in einem gemächlicheren Tempo folgte. Trudy und Nield erschienen auf der einen Seite des Wäldchens und Burgoyne auf der anderen. Die Letzte, die an der zerstörten Hütte anlangte, war Serena.
Butler blickte auf, als Paula und Newman neben ihm standen.
»Ist nicht viel übrig geblieben von Arbuthnot«, sagte er. »Bisher habe ich noch keine Spur von ihm finden können.«
»Das erstaunt mich nicht«, sagte Burgoyne. »Wir haben die Druckwelle sogar mitten im Wäldchen noch gespürt. Das war eine ziemlich starke Ladung.«
»Die Arbuthnot vermutlich beim Öffnen der Tür gezündet hat«, meinte Paula.
»Das schätze ich auch«, sagte Burgoyne.
»Wenn Bob nicht die Idee gehabt hätte, Arbuthnot hinaufzuschicken, hätte die Bombe uns alle getötet«, bemerkte Tweed mit ruhiger Stimme.
»Das war eine Falle, wie sie für Dr. Goslar ganz typisch ist.«
»Arbuthnot war ein Helfershelfer von Goslar«, sagte Serena und zündete sich eine Zigarette an. »Ich glaube nicht, dass wir großartig um ihn trauern müssen.«
Paula sah sie an. Ihre Stimme hatte kalt und gleichgültig geklungen. Du bist knallhart, Kleine, dachte Paula. Viel härter, als du dich normalerweise gibst. Tweed steckte die Hände in die Manteltaschen. Er hatte eine Entscheidung getroffen.
»Wir fahren ans Südende des Sees«, sagte er mit entschlossener Stimme, »und dann am anderen Ufer zurück nach Annecy. Ich muss noch einmal mit diesem Periot reden. Sehen wir also zu, dass wir in seinem Büro sind, bevor er nach Hause geht.«
»Was wollen Sie denn von Periot?«, flüsterte Paula ihm zu, als sie hinab zu den Wagen stiegen.
»Ich will ihn noch was zum Chateau de l’Air fragen. Möglicherweise habe ich da etwas übersehen.«
33
Am Straßenrand wartete Marler auf die anderen. Tweed vermutete, dass er absichtlich dort geblieben war, um ihnen mit seinem Armalite den Rücken freizuhalten. Als sie ein paar Minuten später wieder losfuhren, warf Paula einen letzten Blick auf den Platz, wo die Hütte gestanden hatte. Die Trümmer rauchten noch, aber wahrscheinlich würde schon bald neuer Schnee fallen und Arbuthnots Scheiterhaufen zudecken. Sie seufzte tief, als sie Talloires verließen, um die Seestraße entlang nach Süden zu fahren.
Immer wieder passierten sie kleine, verlassen wirkende Dörfer. Paula kamen die alten, grauen Häuser mit ihren geschlossenen Fensterläden vor, als wären ihre Bewohner gerade vor der Pest geflohen. Der dunkle Wald auf der linken Straßenseite trug auch nicht gerade dazu bei, Paulas düstere Stimmung aufzuhellen.
Bevor sie losgefahren waren, hatten auf Serenas Vorschlag hin sie und Trudy die Plätze getauscht, was Tweed ziemlich merkwürdig fand.
Trudy befand sich jetzt wieder in Newmans Wagen, während Serena mit Nield in der Mitte des Konvois fuhr. Die Spitze bildete wieder Burgoyne, gefolgt von Marler, neben dem Butler saß.
»Das war vermutlich ein ziemlich schlimmes Erlebnis für Sie«, sagte Tweed zu Trudy.
»Nicht allzu sehr. Ein kurzer Schock, als die Bombe hochging, aber ansonsten hat es mich ziemlich kalt gelassen. Wenn man einmal Mitglied von Unit Four war, erschreckt einen so leicht nichts mehr.«
»Ich verstehe. Und dann war da ja auch noch der Tod Ihres Mannes. Wie hieß er gleich noch mal?«
»Äh…« Trudy zögerte, während Tweed sie fragend ansah. »Walter Baron«, sagte sie schließlich. Wieder zögerte sie. »In der dritten
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