Teufelsflut
abwärts geht.«
»Und das hat Sie hellwach gemacht«, sagte Trudy mit ernster Stimme.
»Sie sollten jetzt lieber Ihre Hosenbeine in die Stiefel stecken.«
»Für Sie tue ich doch alles«, antwortete Tweed und gehorchte. »Sind Sie jetzt zufrieden?«
»Nicht ganz.« Trudy langte nach unten und steckte das linke Hosenbein vollends in den Stiefelschaft. »Ich sehe schon, ich sollte etwas besser auf Sie aufpassen.«
Paula konnte nur mit Mühe ein Kichern unterdrücken. Sie hatte bisher noch nie erlebt, dass Tweed so lammfromm eine Anweisung befolgt hatte.
Die Straße führte weiter in vielen Kurven und Serpentinen steil nach unten. Als sie um eine besonders scharfe Biegung fuhren, geriet der Wagen ins Rutschen. Paula klammerte sich in Panik an den Haltegriff, aber Newman steuerte kontrolliert gegen und konnte das Auto gerade noch abfangen, bevor es auf der linken Seite gegen die Schneewand krachte.
»Das war geschickt«, sagte Paula und legte Newman eine Hand auf den Unterarm.
»Nein, das war dumm«, entgegnete Newman. »Ich hätte besser aufpassen müssen. Ich habe wegen der dünnen Schneedecke auf der Straße das Eis nicht gesehen. Das kommt davon, wenn man sich nicht völlig aufs Autofahren konzentriert. Ich habe gerade an Burgoyne gedacht und mich gefragt, wie er wohl hier gefahren wäre. Wie eine gesengte Sau, vermutlich. Und er wäre trotzdem heil durchgekommen.«
»Das erinnert mich an etwas«, sagte Paula. »Kurz bevor wir losgefahren sind, waren Sie noch einmal kurz im Hotel, Tweed. Was haben Sie dort gemacht?«
»Ich habe an der Rezeption eine Botschaft für Burgoyne hinterlassen, in der ich ihm beschrieben habe, wo wir hinfahren. Wenn er mit seinen Waffen zurück ins Hotel kommt, weiß er, wo wir sind, und kann nachkommen.«
»Er wird uns bestimmt einholen.«
Die Straße verlief jetzt, wo sie das Vallee de Joux entlangfuhren, ziemlich eben. Rechts ragte der Berg, den sie gerade überquert hatten, steil in die Höhe. Hier und da war an seiner Hanke ein tief verschneites Fichtenwäldchen zu sehen. Paula hatte das Gefühl, hier unten im tiefen Tal von der Außenwelt abgeschnitten zu sein, und musste an Becks Ausspruch von einer geheimen Welt denken, in der sich womöglich Goslar verborgen hielt. Sie spürte, wie eine gespannte Erwartung in ihr hoch stieg. Trudy hingegen reagierte gänzlich anders.
»Wie schön friedlich es hier ist«, rief sie aus.
»Dieser Frieden könnte sich als ziemlich trügerisch herausstellen, wenn wir erst am Chateau Rance angekommen sind«, sagte Tweed warnend.
Paula drehte sich wieder nach vorn. Kurze Zeit später sah sie ein Ortsschild, auf dem
Le Brassus
stand. Schließlich tauchten links und rechts kleine Häuser auf, deren spitzgiebelige Dächer voller Schnee waren. Paula bemerkte, dass nicht vor allen Fenstern die Läden geschlossen waren. Bei der Kälte hier haben die Leute hoffentlich Fenster aus Isolierglas, dachte sie. Beck fuhr bis zum Hauptplatz und hielt vor einem hübschen Gebäude an, dem »Hotel Blanc«. Sämtliche Fenster des Hotels waren hell erleuchtet, und jetzt erst sah Paula, dass sich in den Erdgeschossen der Häuser ringsum Geschäfte befanden, die allerdings geschlossen hatten.
Paula stieg aus und ging hinüber zu Beck, der mit einem Mann vor dem Hotel sprach. Als der Mann Paula sah, stapfte er in seinen dicken Pelzstiefeln vorsichtig auf sie zu und gab ihr die Hand.
»Ich bin Gilbert Berger«, sagte er auf Englisch. »Passen Sie gut auf beim Gehen. Heute hat es starkes Glatteis, und wir haben noch nicht alle Wege salzen können. Willkommen in Le Brassus, Miss Grey.«
Berger war mittelgroß, gut gebaut und etwa Mitte vierzig. Sein Lächeln war freundlich und warm.
»Kommen Sie doch in mein Hotel und essen Sie etwas Warmes. Oder wollen Sie vielleicht etwas trinken?«, fügte er mit einem verschmitzten Funkeln in seinen intelligenten Augen an. »Sie also sind der sagenumwobene Mr. Tweed«, fuhr er fort, nachdem Beck ihm seinen englischen Kollegen vorgestellt hatte. »Arthur hat mir schon viel von Ihnen erzählt.«
»Hoffentlich nur Gutes«, sagte Tweed. »Und haben Sie vielen Dank für Ihre freundliche Einladung, aber wir müssen so schnell wie möglich weiter.«
»Auch gut. Vielleicht schauen Sie ja auf dem Rückweg bei mir vorbei.
Soviel ich weiß, fahren Sie auf Arthurs Vorschlag hin zum Chateau Rance. Dort lebt ein seltsamer Kauz, ein Mr. Aspinall.
Wir hier im Dorf haben ihn noch nie gesehen. Ehrlich gesagt, niemand von uns kann sogar
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