Teufelsflut
welches Amt ich bekleide? Wenn ich es für nötig erachte, dass diese Unterredung die halbe Nacht dauert, dann wird sie es auch. Wir haben wichtige Dinge zu besprechen, die das Wohl unseres Landes betreffen. Dabei müssen wir gründlich abwägen, was für Konsequenzen unser Tun möglicherweise haben kann.«
Nachdem er mit seiner Ansprache fertig war, schob Harrington den Stuhl wieder zurück auf seine ursprüngliche Position und setzte sich. Er verschränkte die Arme und funkelte Tweed böse an.
»Ich habe aus einer vertraulichen Quelle, die ich Ihnen nicht nennen möchte, erfahren, dass ein gewisser Staat Dr. Goslar dreihundert Milliarden Pfund für seine Waffe geboten hat.«
»Das pfeifen die Spatzen von den Dächern«, sagte Tweed.
»Wenn das so ist, was machen Sie dann in Genf? Mein Informant hat mir versichert, dass Dr. Goslar sich irgendwo in der Nähe von Paris versteckt hält.«
»Eine Spur nach Paris führt eben manchmal über Genf.«
Tweed amüsierte sich insgeheim über Harrington, der ihm soeben unbewusst den Ausweg, nach dem er die ganze Zeit gesucht hatte, auf einem silbernen Tablett serviert hatte.
»Ist was nicht in Ordnung, Diplock?«, fragte der Minister seinen Assistenten, dessen Gesichtsausdruck Paula an ein Kind erinnerte, dem jemand seine Schokolade weggenommen hatte. »Passt Ihnen etwas nicht, was ich gerade gesagt habe?«
»Nein, Sir, darum geht es nicht. Aber Newman hat mir den Schlüssel abgenommen«, sagte Diplock kleinlaut.
»Der ist bei mir gut aufgehoben, Didlock«, sagte Newman liebenswürdig. »Was ist denn daran so schlimm?«
»Diplock«, verbesserte ihn der Assistent wütend. »Diplock mit p.«
Paula hatte Mühe, ein Lachen zu unterdrücken.
»Also, Tweed«, fuhr der Minister in seiner aufgeblasenen Art fort, »Sie sind also auch der Meinung, dass Dr. Goslar in Paris ist und dass wir ihn dort am ehesten dingfest machen können?«
»Goslar hat in La Defense für längere Zeit ein Hochhaus gemietet, das von Eingeweihten das Goslar-Gebäude genannt wird. Der Mietvertrag läuft auf eine Firma Poulenc et Cie, die ihren Sitz in Liechtenstein hat.«
»Liechtenstein! Wie passend!« Zum ersten Mal, seit Paula ihn gesehen hatte, zeigte sich auf Harringtons Gesicht ein Lächeln, das Paula allerdings noch widerlicher fand als die eiskalte Art, die er bisher an den Tag gelegt hatte. »Langsam kommen wir zusammen, und das ist, da werden Sie mir sicher zustimmen, bei Angelegenheiten von so staatstragender Bedeutung ausgesprochen wichtig. Liechtenstein klingt genau nach Dr. Goslar, finden Sie nicht auch, Diplock?«
»Ja, Sir, da haben Sie hundertprozentig Recht«, antwortete der Assistent diensteifrig und senkte den Kopf, als würde er sich vor einem Pascha verbeugen.
»Dann steht unsere Jagd wohl kurz vor dem Abschluss. Wir haben den Fuchs praktisch eingekreist, Tweed.«
»Hoffen wir’s.«
»Ich will noch einmal kurz zusammenfassen.« Harrington lehnte sich in seinem Stuhl zurück und faltete die Hände hinter dem Kopf. »Goslars Unterschlupf befindet sich in Paris, direkt unter der Nase der französischen Behörden. Verdammt clever von ihm. Wieso clever? Ganz einfach: Die französischen Sicherheitsdienste sind nicht gerade für ihre Erfolge berühmt. Denken Sie nur daran, wie kläglich sie im Fall Carlos versagt haben. Sie haben es zugelassen, dass Carlos die Leute, die ihn festnehmen sollten, niederschießt und sich danach quasi in Luft auflöst.
Vorübergehend zumindest. Aber zurück zu Goslar. Der Mann mietet sich eines dieser Hochhäuser, die aussehen wie die Wolkenkratzer in New York.« Er hob beide Arme, um die Höhe des Hauses zu verdeutlichen. »Aber niemand kriegt ihn zu sehen. Wieso? Weil er sich vielleicht als Portier getarnt hat. Ach, übrigens, Tweed, ich habe schon ein neues Team nach Paris in Marsch gesetzt.«
Tweed hatte bereits zweimal ganz offen auf seine Uhr geblickt. Jetzt schob er seinen Stuhl nach hinten und machte Anstalten aufzustehen.
»Wie sind Sie eigentlich draufgekommen, dass ich mich in der Schweiz aufhalte?«
»Bäte hat mich angerufen. Vielleicht sogar aus der Tiefgarage, in der ihn dann die Terroristen erwischt haben. Der arme Kerl.«
»Wer wird jetzt sein Nachfolger?«
»Das soll Pardoe selber bestimmen«, antwortete der Minister und verzog den Mund. »Der ehrliche Caspar Pardoe, der gerade von seinem Urlaub zurückgekommen ist.« Er beugte sich vor und machte ein ernstes Gesicht. »Ich erwarte von Ihnen, dass Sie und Ihre Leute morgen mit
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