Teufelsflut
Experte für sämtliche Lebewesen, die es in Meeren, Seen und Flüssen gibt. Kein Wunder eigentlich, bei seinem Namen.«
»Wenn Sie wüssten, wie oft ich diesen Sparwitz schon gehört habe«, gab Fischer zurück und schürzte indigniert die Lippen.
»Fangen wir mit dem toten Mann an«, fuhr Saafeld ungerührt fort. »Roy Buchanan hat herausgefunden, dass er Gravely hieß und als Fischer – entschuldigen Sie, Herr Kollege, das soll jetzt wirklich kein Scherz sein – gearbeitet hat. Er ist wohl von einem Kutter ins Meer gefallen. Ich habe ihn obduziert und herausgefunden, dass er bereits tot gewesen sein muss, bevor er die Wasseroberfläche berührt hat.«
»Herzinfarkt?«, fragte Tweed.
»Ausgeschlossen. Er starb an Sauerstoffmangel. Hat einfach aufgehört zu atmen.«
»Ich dachte, er sei ertrunken«, sagte Paula.
»Auch das ist ausgeschlossen. Er hatte kein Wasser in der Lunge. Der Mann ist erstickt. Das ist der einzige Schluss, der für mich zulässig ist.«
»Erdrosselt?«, fragte Tweed.
»Mit Sicherheit nicht. An seinem Hals haben wir keinerlei Verletzungen gefunden.«
»Dann bin ich ratlos«, sagte Tweed.
»Willkommen im Club. Wir sind es auch. Ich erspare Ihnen den Anblick der Leiche. Vielleicht wollen Sie ja nachher noch zum Abendessen. Ich habe dem Toten etliche Organe für weitere Untersuchungen entnommen, obwohl ich nicht glaube, dass ich daran noch allzu viel finden werde.
Und jetzt hören Sie sich an, was Fischer Ihnen zu sagen hat. Daraus werden Sie bestimmt ebenso wenig schlau werden wie ich.«
Sie gingen hinüber zu Fischer, der an einem Tisch mit großen Aquarien voller Fische lehnte. Neben den Aquarien standen durchsichtige Behälter, die Paula als die Kanister zu erkennen glaubte, mit denen Newman in Appledore die Wasserproben genommen hatte.
»Sagen Sie mir, wenn Sie etwas nicht verstehen«, begann Fischer, der seine Ausführungen hauptsächlich an Paula richtete. »Dann erkläre ich es Ihnen näher. Die Materie ist kompliziert, aber ich will versuchen, sie so einfach wie möglich darzustellen. Wissen Sie, wie Fische atmen?«
»Durch ihre Kiemen.«
»Richtig. Ein Fisch hat keine Lunge, sondern filtert sich den Sauerstoff mit komplexen Organen, die wir Kiemen nennen, aus dem Wasser, in dem der Anteil an Sauerstoff bekanntlich sehr viel geringer ist als in der Luft. Trotzdem erstickt ein Fisch, wenn man ihn aus dem Wasser holt, weil seine Kiemen den Sauerstoff in der Luft nicht verarbeiten können.«
»Buchanan hat mir gesagt, dass in Appledore tonnenweise tote Fische angespült wurden«, mischte Saafeld sich ein. »So viele, dass der Strand mit Schaufelbaggern gereinigt werden musste.«
»Haben Sie meine Erklärungen bislang verstanden?«, fragte Fischer.
»Ja«, antworteten Tweed und Paula fast gleichzeitig.
»Und jetzt kommt’s«, fuhr Fischer in belehrendem Ton fort. »Die Fische, die ich untersucht habe, sind im Wasser erstickt, was wiederum den Schluss zulässt, dass kein Sauerstoff darin enthalten war.«
»Und dasselbe ist dem Fischer passiert«, bemerkte Tweed.
»Ja und nein. Wie gesagt, die Atmungsorgane von Menschen und Fischen sind sehr unterschiedlich. Und damit kommen wir zu dem toten Seehund, der die ganze Sache noch mysteriöser macht. Ich habe ihn obduziert…« Fischer hielt inne und sah erst Paula, dann Tweed an, als wollte er sich vergewissern, dass sie ihm auch konzentriert genug zuhörten. »Es war nicht leicht, aber ich habe es geschafft.«
»Wissen Sie denn jetzt, woran der Seehund gestorben ist?«, fragte Tweed.
»Ich weiß,
warum
er gestorben ist. Das ist etwas anderes. Zuerst aber muss ich Ihnen etwas über die Atmung eines Seehundes erzählen. Im Gegensatz zu Fischen sind Seehunde Säugetiere und haben als solche Lungen, in denen sie den Sauerstoff speichern können, um ihn unter Wasser zu verbrauchen. Eine Art Reservoir, wenn Sie so wollen. Auch unser Seehund ist erstickt. Professor Saafeld, würden Sie den beiden bitte von dem Vorfall erzählen, den Buchanan uns berichtet hat?«
»Also, ein Mann, der in der Ortschaft Instow am anderen Ufer des Meeresarms wohnt, hat beobachtet, wie ein Seehund aus dem Wasser auf einen Felsen geklettert, kurz darauf zusammengebrochen und wieder zurück ins Wasser geplumpst ist. Möglicherweise war das der Seehund, der später tot an den Strand gespült wurde.«
»Und was soll uns das alles sagen?«, fragte Paula.
»Gute Frage«, meinte Fischer. »Es scheint so, als ob nicht nur
im
Wasser kein Sauerstoff war –
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