Teufelsfrucht
setzte sich auf die Ladefläche seines Lieferwagens.
»Bei meinem Telefonat mit den Kollegen aus Reims, die den Fall betreuen, habe ich übrigens auch erfahren, dass Sie Boudiers Restaurant kurz nach dem Brand einen Besuch abgestattet haben. Was in aller Welt haben Sie da gemacht?«
»Ich wollte ihn besuchen. Diese Sache mit Agathon Ricard machte mir zu schaffen.«
»Und da sind Sie einfach mal so zu Boudier gefahren, mit dem Sie, wie ich von den Franzous«, Manderscheidspuckte das Wort angewidert aus, »erfahren habe, vorher seit Monaten nicht in Kontakt standen. Warum?«
»Weil Ricard dort essen war. Einen Tag, bevor er starb.«
»Ja, das stimmt, das haben wir inzwischen auch herausgefunden. Aber wie haben Sie es herausgekriegt, Kieffer?«
»Über den Gabin.«
»Und warum haben Sie uns davon verdammt noch mal nicht unterrichtet?« Manderscheid gestikulierte mit seiner Pfeife. Er war nun sichtlich aufgebracht. »Sind Sie während Ihrer Privatrecherchen nicht irgendwann mal auf die Idee gekommen, uns Ihre Erkenntnisse mitzuteilen? Es ist nämlich gar nicht so einfach, an all diese Informationen zu gelangen.«
Kieffer begann zu ahnen, warum Manderscheid so wütend war. Ricard war französischer Staatsbürger gewesen, und wahrscheinlich hatte die französische PJ das Verfahren an sich gezogen und den kleinen Sherlock Holmes aus Luxemburg nicht weiter in ihre Ermittlungen eingebunden. Kieffer bemühte sich deshalb um eine vorsichtige Wortwahl.
»Ich war davon ausgegangen, dass Sie das alles bereits wissen, Monsieur le Commissaire, wegen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Dienststellen. Ansonsten hätte ich Sie angerufen. Ich bin nur ein Koch, ich habe doch von Polizeiarbeit keine Ahnung.«
Manderscheid musterte Kieffer still. Seine Kiefermuskeln spannten sich, sein Menjou-Bärtchen zitterte. Kieffer konnte ein leises Knacken vernehmen, als sich die Backenzähne des Kommissars unerbittlich in das Mundstück seiner Pfeife gruben.
Wie viele davon Manderscheid wohl im Jahr durchbiss?
Nun nahm er die Pfeife aus dem Mund und zeigte mit dem lädierten Mundstück auf Kieffer. »Es mag sein, dass Sie mit Ihrer Dicker-dummer-Koch-Nummer bei anderen Leuten durchkommen, Kieffer, aber bei mir nicht! Elo ass d’Bëtschel fett – passen Sie bloß auf! Sie wissen mehr, als Sie zugeben, und Sie sollten sich nicht zu sicher fühlen. Wir sprechen uns noch. Äddi.« Dann rammte Manderscheid die inzwischen erloschene Pfeife in seinen rechten Mundwinkel und stapfte grimmigen Schrittes zurück zu seinem Auto.
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23
Nach Manderscheids dramatischem Abgang rief Kieffer Valérie Gabin auf ihrem Handy an. Es war ausgeschaltet. Er sprach ihr eine kurze Nachricht auf die Mailbox und informierte sie über Boudiers Tod. Spätestens nach dem zweiten Mord würde die Presse durchdrehen; er war es ihr schuldig, sie vorzuwarnen.
Den Nachmittag verbrachte er damit, etwa zwanzig als plat du jour vorgesehene Bresser Poularden, die er auf dem Großmarkt erworben hatte, zu dressieren und eine Farce aus Kalbfleisch, Speck, Birnen und Kerbel zuzubereiten. Er versuchte, sich auf die Arbeit zu konzentrieren und nicht weiter über Boudiers Tod nachzudenken.
Stattdessen grübelte er darüber nach, wer den alten Koch umgebracht haben könnte. Vermutlich derjenige, der auch Ricard auf dem Gewissen hatte. Auch dass beide wegen der verbotenen Frucht sterben mussten, erschien Kieffer inzwischen als nahezu sicher.
Er war nicht bei der Sache und produzierte statt einer Farce einen halb flüssigen Birnen-Fleischbrei, an dem höchstens ein Kleinkind Freude gehabt hätte. Erst beimzweiten Mal brachte er eine vernünftige Füllung zustande. Nachdem er die Poularden damit gestopft und im Kühlraum verstaut hatte, klingelte sein Telefon. »Hier ist Klaus Scheuerle. Ich weiß jetzt nicht recht, ob ich mich bei dir beschweren oder bedanken soll.«
»Hallo, Klaus. Wie meinst du das?«
»Na ja, erst lässt du mich zwei Tage lang im Labor rumprockeln, und dann schickt mir Vatanen aus heiterem Himmel diese Barcodes, die – wenn ich das richtig sehe – die ganze Zeit irgendwo in deinem Keller lagen. Dank dieser Codes geht es jetzt rasend schnell voran. Aber wenn ich die früher bekommen hätte, wäre uns eine Menge aufwendiger Arbeit erspart geblieben.«
»Klaus, das tut mir sehr leid – aber ich wusste bis gestern nicht einmal, dass es solche speziellen Barcodes gibt und wozu sie verwendet werden. Ich dachte, das seien stinknormale
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