Teufelsfrucht
Der Finne nahm ihm den Fresskorb ab. »Darf ich vorstellen, das ist Joaquina, unsere spanische Stagiaire. Sie hat sich freundlicherweise bereit erklärt, mir zu helfen.«
»Enchanté«, sagte Kieffer und gab Joaquina die Hand. Als er die Praktikantin musterte, erschien ihm die Geschichte mit der dusseligen Sekretärin plötzlich äußerst unwahrscheinlich. Die Spanierin war Mitte zwanzig und hatte einen makellosen, olivfarbenen Teint. Sie war gleichzeitig schlank und kurvenreich, dazu besaß sie eine jener dichten, leicht gelockten schwarzen Haarmähnen, die Männer um den Verstand brachten.
Anders als Vatanen, der, wie er wusste, dem südländischen Frauentypus völlig verfallen war, hatte Kieffer für mediterrane Schönheiten nicht viel übrig. Das änderte aber trotzdem nichts an der Tatsache, dass Joaquina objektiv betrachtet die schönste Frau war, die er seit Langem zu Gesicht bekommen hatte. Sogar schöner als Valérie Gabin.
Das hatte Pekka fein eingefädelt. Kieffer warf Vatanen einen tadelnden Blick zu. Der grinste unverschämt und begann, das Essen auf einen der Tische zu stellen.
»Und dieses ganze Zeug«, sagte Kieffer und deutete auf die überquellenden Kisten, »müsst ihr bis morgen eintippen?«
Vatanen schüttelte den Kopf. »Ganz so schlimm ist es zum Glück nicht. Wir müssen nur die wichtigen Sachen in den Rechner übertragen. Und eintippen müssen wir sie eigentlich auch nicht.«
»Sondern?«
»Moment.« Vatanen griff nach der Flasche Rivaner, die er gerade entkorkt hatte. Dann goss er Wein in drei Plastikbecher, gab einen Joaquina, den anderen Kieffer. »Santé! Ah, vorzüglich, diese Mosellage. Und nun, schau hier. Die Mitgliedstaaten melden uns ihre Ernteerträge, in diesem Fall Früchte. Uns interessieren nur die Erdbeeren, mal wieder.«
»Und das übermitteln die EU -Länder euch immer noch auf Papier? Geht das nicht elektronisch?«
»Klar, die meisten melden inzwischen elektronisch. Aber unter den 27 Mitgliedstaaten gibt es natürlich immer ein paar lahme Enten, die es auch ein Vierteljahrhundert nach der Erfindung des Internets noch nicht geschafft haben, ihre Verwaltung zu digitalisieren. Die üblichen Verdächtigen, die Speerspitze der Inkompetenz.«
»Die Osteuropäer?«
»Oh nein, die Osteuropäer sind tiptop, ebenso wie die Portugiesen und die Spanier.« Da Joaquina gerade unter dem Schreibtisch in den Unterlagen wühlte, erlaubte sich Vatanen an dieser Stelle ein anzügliches Grinsen. »Italien und Griechenland, das sind die Totalausfälle. Die kriegen es einfach nicht auf die Reihe und schicken uns diese Formulare immer noch in Papierform. Aber zumindest haben wir sie inzwischen so weit, dass sie Aztec-Codes benutzen, die können wir dann einscannen.«
»Azteken-Codes? Was soll denn das bitte sein?«
»Das sind im Prinzip Barcodes, wie ihn jedes Produkt im Supermarkt hat – nur in einer moderneren Version, die mehr Daten speichern kann. Es funktioniert folgendermaßen: Der Beamte in Rom oder Athen füllt am Computer das EU -Ernteertragsformular KOM -1273-CAP aus. Weil er es nicht digital übermitteln kann, speichert er es ab, druckt es aus und schickt es mit der guten alten Schneckenpost zu uns.
Der Clou ist der: Das Formular ist ein PDF -Dokument, das beim Abspeichern automatisch einen Barcode generiert, der alle zuvor eingegebenen Daten enthält. Beim Ausdruck wird dieser Aztec-Code oben rechts auf dem Formular mit ausgegeben. Wir halten das Blatt dann einfach unter einen Handscanner, und schwupp haben wir alles auf der Festplatte, ohne dass wir’s abtippen müssen. Bei 300 Formularen dauert das trotzdem ewig, zumal wir sie erst finden müssen. Hier, so sieht es aus. Ich denke, jetzt verstehst du auch, warum sie es Azteken-Code nennen.«
Vatanen zeigte auf ein seltsam gesprenkeltes Quadrat auf einem der Blätter:
Kieffer griff danach und stieß dabei seinen Plastikbecher um.
»Was … Mist, Xavier! Pass doch auf.« Der Becher war in eine der Kisten gefallen. Moselwein rann über die südeuropäischen Erdbeerstatistiken.
»Dieser Barcode, Pekka. Ich habe ihn schon einmal gesehen.«
»Na und? So selten sind die auch nicht. Ist aber kein Grund, EU -Dokumente mit Wein zu marinieren. Schade um den guten Rivaner.«
Kieffer ignorierte die Anmerkung. »Und du sagst, du hast ein Gerät, mit dem man den Inhalt dieser Codes lesen kann?«
»Ja, klar. Wir machen seit Stunden nichts anderes.«
»Gut, ich bin in einer halben Stunde wieder hier. Dann muss ich kurz euren
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