Teufelsfrucht
Preisetiketten.«
»Halb so schlimm. Möglicherweise hast du mir nämlich einen riesigen Gefallen getan, denn nur durch deine Unkenntnis bin ich schließlich auf die ungewöhnlichen Eigenschaften der Frucht gestoßen. Ich wäre ja ansonsten nie auf die Idee gekommen, einfach mal so eine derart umfängliche Analyse irgendeines neuen Eintrags aus dem Bundessortenkatalog durchzuführen.«
»Bundessortenkatalog? Wovon redest du?«
»Sorry, Xavier, ich springe schon wieder. Ich fange noch einmal von vorne an. Deine Codes enthielten ein standardisiertes Datenformat für karpologische Proben – wir haben natürlich die zugehörige Software und die Datenbank. Damit geht alles kinderleicht. Du hältst den Code einfach an den Scanner, und schon zeigt dir der Rechner alle wesentlichen Informationen an – wieName, Herkunftsgebiet, Unterfamilie, Ordnung et cetera pp.«
»Meine Frucht hat einen Namen?«
»So ist es. Sie heißt Solanum catvanum. Sobald ich die botanische Bezeichnung hatte, war die weitere Recherche einfach. Es gibt einen wissenschaftlichen Aufsatz über die Entdeckung der Frucht. Sie kommt aus einer entlegenen Ecke des Dschungels von Papua-Neuguinea. Kannst du nachlesen, im ›Japanese Carpology Review‹, Ausgabe II /2007. Vorausgesetzt, du bist des Japanischen mächtig.«
»Dann hat sie also ein Japaner entdeckt?«
»Nein, ein Schweizer. Aber er heißt nicht Keitel, wie du vielleicht vermutest, sondern Wyss. Gero Wyss.«
»Hast du schon mal von ihm gehört?«
»Oh ja, klar. Professor Wyss ist ein bekannter Lebensmittelchemiker, aber kein universitär forschender. Er arbeitet bei Hüetli, einem dieser multinationalen Life-Science-Konzerne. Er leitet dort die Entwicklungsabteilung. Jetzt bist du platt, was?«
»Und dieser Schweizer hat unsere Frucht entdeckt?«
»Er oder sein Team. Oder jemand, den er beauftragt hat. Auf jeden Fall hat er mit dem Aufsatz die Entdeckung für sich beansprucht. Ist offenbar schon eine Weile her, dass sie diese Pflanze aufgetrieben haben. Und keiner von uns Superkarpologen hat’s gemerkt.«
»Wie kann das sein?«
»Na ja, wenn Wyss zu seiner Entdeckung etwas in ›Nature‹ oder ›Science‹ veröffentlicht hätte, dann wäre ihm natürlich eine enorme Aufmerksamkeit sicher gewesen. Stattdessen hat er sich für diese etwas randseitige Publikation der Universität Osaka entschieden. Verstehmich nicht falsch, das ist durchaus eine Forschungsstätte von gewissem Rang. Aber deren Zeitschrift erscheint ausschließlich auf Japanisch. Folglich lesen das große Teile der scientific community nicht.«
»Das ergibt für mich keinen Sinn.«
»Wenn man mit seiner Entdeckung berühmt werden will – gar keinen. Wenn man möchte, dass niemand etwas davon mitkriegt, dann ist eine Publikation, die kein Schwein liest – lesen kann –, natürlich ideal. Ich habe einen englischen Abstract der Veröffentlichung gefunden. Demzufolge geht es in dem Artikel offenbar ausschließlich um die Entdeckung und um Fragen der Ähnlichkeit der Frucht mit anderen Exemplaren der Gattung Solanum, will sagen: Nachtschattengewächse. Da steht kein Sterbenswörtchen über die ungewöhnliche, geschmacksverstärkende Wirkung dieses Zeugs.«
»Wenn dieser Wyss seine Entdeckung mit niemand anderem teilen wollte, warum hat er sie dann überhaupt publik gemacht?«, fragte Kieffer. »Es hätte ja auch ein gewiefter japanischer Karpologe Fährte aufnehmen können, zumindest theoretisch.«
»Verstehst du nicht, Xavier? Wyss musste veröffentlichen. Er konnte sich die Fachzeitschrift aussuchen, aber irgendwo musste er seinen Fund dokumentieren. Ansonsten kann er nämlich später nicht beweisen, dass er tatsächlich der Erste war, der die Frucht entdeckt und die Erstbestimmung durchgeführt hat. Und wenn er das nicht nachweisen kann, dann bekommt er auch keinen Sortenschutz.«
»Der Sortenschutz ist eine Art Patent auf Pflanzen, oder?«
»Pflanzen und Lebewesen kann man in der Europäischen Union nicht patentieren lassen. Pekka könnte dir das genau erklären, vermutlich genauer, als du es je wissen möchtest.«
»Deine Kurzversion wäre mir lieber, Klaus.«
»Okay. Patente gibt es in der EU nicht, wie gesagt. Aber für Neuentdeckungen und Neuzüchtungen kannst du Sortenschutz beantragen. Dann darfst nur du diese spezielle Pflanze anbauen beziehungsweise eine Anbauerlaubnis an Dritte vergeben. Die müssen dann das Saatgut von dir kaufen. Und du kannst die Sorte jederzeit wieder vom Markt nehmen.«
»Klingt
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