Teufelsfrucht
hier sehen, ist TF 1 von gestern Abend. Moment, ich stelle den Ton lauter.«
»… habe ich etwas ganz Neues für euch mitgebracht, chicas y chicos. Un condimento, ein Gewürz, das ihr nur ganz schwer bekommen werdet, und das ist vielleicht auch besser so. Aber trotzdem – das müsst ihr gesehenhaben. Dies hier«, sagte Esteban und hielt eine längliche, blau schimmernde Frucht in die Kamera, »ist eine Chatwa aus Papua-Neuguinea. Sie ist der größte Aromaverstärker, den die Welt kennt. Wirkt wie Natriumglutamat, das kennt ihr vom Chinesen, aber tausendmal stärker.«
Esteban griff nach einem Messer und würfelte etwas von der Chatwa. Dann gab er die kleinen, festen Fruchtstücke in eine Pfanne und schwenkte sie in Butter an. »Mittlere Temperatur, gut anbräunen, chicas y chicos! Wir wollen unsere Chatwa nämlich tostada, schön angeröstet – das ist der Trick. Das hat mir ein guter Freund verraten.« Der Küchenleonardo setzte einen Verschwörerblick auf und lächelte direkt in die Kamera. »Eigentlich ist diese Frucht nämlich un gran secreto. Die meisten Leute wissen nicht einmal, wo genau sie wächst, geschweige denn, wie man sie zubereitet.«
Esteban gab nun einige Zucchiniwürfel sowie eine Handvoll Kirschtomaten in die Chatwa-Pfanne. Kurz darauf transferierte er den Inhalt in eine Schüssel, eilte dem vor der Bühne auf einem Podest sitzenden Publikum entgegen und reichte den Zuschauern Plastikgäbelchen. »Probiert das, chicas y chicos! Nur Zucchini, Tomaten, Salz. Habt ihr je so etwas Köstliches gegessen? Fantástico, oder?« Die Kamera hielt nun auf die Zuschauer und fuhr ganz nah heran, während diese Estebans Gemüsepfanne kosteten. Einigen entglitten die Gesichtszüge, andere warfen erstaunt die Hand vor den Mund oder fassten sich an die Brust, als ob ihnen der Atem stockte.
Esteban verschwand wieder hinter seinen Induktionskochfeldern und schaute in die Kamera, die sein perfekt abgepudertes Gesicht und sein Porzellanlächeln nunin bildschirmfüllender Größe zeigte. »Ja, diese Chatwa-Frucht schmeckt fantastisch – aber man darf nicht zu viel davon essen, denn sie ist in größeren Dosierungen giftig. Keine Sorge, un poquito, so ein kleines bisschen, das macht nichts. Aber wenn man sehr viel davon isst, dann wird man muy loco! So wie Esteban!« Der Küchenleonardo rollte mit den Augen und grinste sein Publikum breit an, das nun begeistert klatschte.
»Ja, so verrückt wie ich. Nicht umsonst nennen die Bewohner von Neuguinea das Zeug auch Teufelsfrucht! Und deshalb könnt ihr die Chatwa leider auch nirgendwo im Supermarkt kaufen. Ein Schweizer Nahrungsmittelkonzern namens Hüetli wollte sie in Europa als Mega-Geschmacksverstärker auf den Markt bringen – die ganzen Chinarestaurants waren schon total heiß drauf! Aber nach Tests haben sie den Plan dann verworfen, wegen gesundheitlicher Bedenken. Verantwortungsvolle Leute, diese Schweizer! Chicos y chicas, ihr seht, wir müssen ohne das Zeug auskommen, wir müssen einfach selber gut kochen, ohne Geschmacksverstärker. Deshalb nun zum nächsten Gericht: papa asada einmal ganz anders.«
Berninger schaltete den DVD -Spieler aus. »Wir haben heute Morgen bereits mehrere Presseanfragen bekommen. Die Journalisten wollen wissen, ob wir bestätigen können, was Herr Esteban in seiner Show behauptet hat.«
»Ist das nicht bald wieder vergessen?«
Der Kommunikationschef schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil. Das Video steht bereits im Internet, in mehreren Diskussionsforen für Hobbyköche wird bereits darüber diskutiert.« Berninger atmete hörbar aus. »Vor einer Stunde ergab die Suche nach Chatwa und Hüetli bei Google bereits 2000 Treffer, Tendenz stark steigend.«
Städeli strich sich mit der Rechten über seinen Stiernacken und sagte: »Meiner Ansicht nach war es das. Projekt Superspice wird gestoppt, die Plantagen werden abgewickelt. Irgendwelche Einwände?« Niemand sagte etwas. Städeli seufzte. »Dr. Witterling, veranlassen Sie alles. Die Sitzung ist geschlossen.«
Städeli ließ seinen Wagen vorfahren. Er schaute auf seine Uhr, die teurer war als das Auto, das ihn zum Flughafen bringen würde. Die Sache hatte sich schneller geklärt, als er geglaubt hatte; mit etwas Glück würde er am Abend noch einige Stunden ausreiten können. Diese Aussicht besserte seine Laune erheblich, und nachdem er einige Minuten lang aus dem Fenster geblickt hatte, kam ihm eine Eingebung. Städeli nahm das Handy aus der Tasche und rief seinen Vorstandschef
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