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Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Titel: Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelie Wendeberg
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genommen, ja. Ich habe gestern Abend darüber nachgedacht. Er könnte sich Tetanus zugezogen haben, indem er schlechtes oder infiziertes Fleisch gegessen hat. Ich habe gesehen, wie Leute Katzen, Hunde oder Ratten gegessen haben. Wenn sie nicht die Geduld oder ausreichend Holz besaßen, es lange genug zu garen, steckten sie sich unweigerlich an derselben Krankheit an, die das Tier hatte.«
    Holmes’ Blick wurde glasig, und er blieb lange still. Wir waren schon fast in London, als er sagte: »Wir müssen Big Boots finden. Könnte er sich auch mit Cholera angesteckt haben?«
    »Nicht notwendigerweise.« Ich sah den Funken Hoffnung in Holmes’ Augen verglimmen.
    »Wäre ein zweites Choleraopfer für Sie ein bequemer Umstand, um den Fall schneller zu lösen?«, fragte ich kalt.
    Er erwiderte meinen Blick mit derselben Kälte. »Ohne Big Boots werde ich nicht in der Lage sein, den Fall aufzuklären. Es liegen nicht genügend Informationen vor.«
    »Mr Holmes«, sagte ich nach einigem Überlegen, »ichbin etwas verwirrt. Zwei Männer gehen zusammen zur Themse. Einer stirbt an Tetanus, während er Cholera im Endstadium hat, und wird nach seinem Tod in den Fluss geworfen. Er hat Fesselwunden an Hand- und Fußgelenken. Beide stehlen Nahrung und eine Jacke, nur kurz bevor die Jacke zusammen mit dem Mann, der sie trug, ins Wasser geworfen wird. Das ergibt für mich überhaupt keinen Sinn!«
    »Hmm …«, sagte Holmes. Seine vorerst letzte Äußerung, bis wir uns in London voneinander verabschiedeten.

Kapitel Fünf

    ine Woche nach den Ereignissen in Hampton fand ich einen Fremden auf meiner Krankenstation. Neugierig starrten die Patienten auf den Mann, der sich in stummem Schmerz auf dem Boden krümmte. Sein Rücken war weit durchgedrückt, die Arme dabei angezogen, die Hände zu Fäusten geballt und die Füße fast halbmondförmig verkrampft.
    Mir war sofort klar, dass jede Hilfe zu spät kam. Ich konnte nichts anderes tun, als neben ihm zu knien und über seinen Kopf zu streichen, bis der letzte Krampf seinen Griff gelockert hatte.
    Die kräftigeren Patienten schoben sich auf ihren Pritschen hoch, um besser sehen zu können. Getuschel füllte den Saal – ein Gemisch aus Verärgerung, Neugier und Mitleid. Der Mann lag nun ganz ruhig da. Ein kaum wahrnehmbares Vibrieren durchzog alle Muskeln seines angespannten Körpers. Sein Gesicht war verzerrt zu einem Teufelsgrinsen, seine Augen waren in den Schädel zurückgerollt, nur das Weiße war noch zu sehen. Meine andere Hand lag auf seiner Brust. Das Herz schlug, doch der verkrampfte Brustkorb erlaubte ihm nicht zu atmen.
    »Nur noch einen Moment«, flüsterte ich.
    Das flatternde Herz wollte sein Schicksal nicht annehmen.
    »Der Schmerz ist gleich vorbei.«
    Eine Minute später verebbte der Herzschlag. Niemandauf der Station wagte zu sprechen. Die Anwesenheit des Todes verschloss allen die Lippen. Nur hier und da durchbrachen leises Husten oder das Wimmern eines Kindes die Stille.
    Das war eines der Dinge, die am schwersten zu akzeptieren waren: der Augenblick, wenn der Tod eintrat, egal was ich unternommen hatte. Und es dann geschehen zu lassen und beiden, dem Menschen und dem Tod, ihren Frieden zu lassen. Das gab seltsamerweise auch mir Frieden. Als ob der Tod meine Schulter berührt hatte, um eine alte Bekannte zu begrüßen und mir zu sagen, dass auch ich ihn freundlich empfangen würde, wenn er mich holen käme.
    Ich schloss die Augen des Mannes und ging aus dem Saal, auf der Suche nach jemandem, der ihn identifizieren konnte. Doch niemand schien gesehen zu haben, wie der Mann eingeliefert wurde. Das war jedoch unmöglich. Wie sollte er ohne Hilfe hereingekommen sein?
    Irritiert ging ich zurück auf meine Station und erblickte den alten Pförtner, Mr Osburn, der den Flur entlangschlurfte. Er sah mich, winkte mit beiden Händen und kam angerannt.
    »Was ist los?«, blaffte ich und bereute mein schroffes Verhalten sofort.
    »Der is tot da drin, oder?«, sagte er aufgeregt und zeigte durch die Tür.
    »Ja, er ist gestorben. Kannten Sie ihn?«
    »Oh, nein!«, sagte Osburn und schüttelte den Kopf, seine großen Ohren wackelten. »Kannt’ ihn nich. Hab ihn auf der Straße gefunden. Gleich vorm Tor.«
    »Wie bitte?«
    Er setzte an, alles zu wiederholen, doch ich schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. »Haben Sie gesehen, wer ihn gebracht hat?«

    »Nee, Herr Doktor. Tut mir leid. Hab’s nich gesehn.«
    »Niemanden, der weggegangen ist? Oder einen Wagen, der

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