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Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Titel: Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelie Wendeberg
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Themse.«
    Ich brauchte eine Weile, bis ich die richtigen Worte fand. »Ich muss gestehen, Ihre Einladung ehrt mich, obwohl ich gar nicht weiß, wieso eigentlich. Ich vermute, Sie wollen mich noch eine Weile länger beobachten. Ihre Art geht mir auf die Nerven, Mr Holmes, denn ich bin keine Sehenswürdigkeit. Und die ständige Erforschung meines Hirns ist mir ausgesprochen lästig.«
    Sein Gesichtsausdruck verdunkelte sich, und ich fragte: »Warum sollte ich also mit Ihnen kommen, Mr Holmes?«
    Seine Mundwinkel zuckten ein wenig nach oben. »Weil Sie sich prächtig amüsieren und im Moment nichts lieber täten, als im Gegenzug mein Gehirn noch ein wenig länger zu erforschen.«

Kapitel Vier

    ir saßen im Zug nach Chertsey, und die Landschaft sauste unbemerkt vorbei. Zu meiner Überraschung genoss ich es, mit Holmes über die Whitechapel-Morde zu diskutieren, obwohl das Thema selbst unschön war. Jack the Ripper hatte mindestens sechs Frauen ermordet. Er hatte ihnen die Kehle durchtrennt, ihren Leib aufgeschnitten, die Gedärme über ihre beiden Schultern gelegt und ein Souvenir mitgenommen – in der Regel den Uterus des Opfers.
    Holmes erschienen die Bemühungen Scotland Yards lachhaft. »Jedes Mal, wenn ich ein Telegramm von der Polizei bekam, waren die Opfer bereits im Leichenschauhaus«, entrüstete er sich. »Die Belegschaft dort hatte Organe entnommen und sie als anatomische Studienobjekte verkauft. Und natürlich wussten sie nie, was vorher schon fehlte und was sie selbst entnommen hatten! Ich glaube nicht, dass dieser Serienmord je aufgeklärt und der Täter gefunden wird. Die Inkompetenz der verantwortlichen Ermittler, die korrupte medizinische Belegschaft, die schiere Anzahl angeblicher Zeugen und die Flut an Fehlinformationen der Zeitungen machen alle Ermittlungen zunichte!«
    Er wirkte aufgebracht, wie er die Lippen zusammenpresste und die Hände auf den Sitz drückte.
    Ich schaute aus dem Fenster, sortierte meine Gedanken und versuchte, die richtigen Worte zu finden. »Aufgrund meines Berufs habe ich es häufiger mit Stichwunden zu tun«, sagte ich und wandte mich ihm wieder zu. »Dabei fiel mir auf, dass fast alle Frauen mit Messerstichen im Unterleib Opfer einer versuchten Vergewaltigung waren. Und alle, die den Angriff überlebt haben, berichteten, dass der Vergewaltiger ein Messer benutzt hatte, weil es ihm nicht gelang, sie zu penetrieren. Er brachte keine Erektion zustande. Setzt das nicht die Motive des Rippers in ein vollkommen anderes Licht?«
    Holmes lehnte sich zurück und ließ den Blick über die Landschaft gleiten. Nach einer langen Weile schaute er mich wieder an. »Die Opfer waren alle Prostituierte. Mindestens zwei von ihnen kannten den Täter, denn sie hatten ihn in ihre Wohnung gelassen. Man kann also von einem starken Sexualtrieb des Mannes ausgehen. Wenn er tatsächlich nie in der Lage gewesen ist, einen Sexualakt abzuschließen, muss sich eine Menge Frustration bei ihm aufgestaut haben.«
    Passagiere in der Nähe begannen zu husten und schalten uns mit dem Zeigefinger. Einige nahmen ihre Kinder an die Hand und verließen den Waggon. Holmes ignorierte die Proteste. Ich hielt mir die Hand vor den Mund, um mein Grinsen zu verbergen, doch meine Augen verrieten mich. Er bemerkte meine Belustigung und warf mir einen entrüsteten Blick zu.
    »Tut mir leid, Mr Holmes. Allein die Vorstellung, dass jeder andere Mann«, ich lehnte mich vor und senkte meine Stimme, »sich zumindest seltsam vorgekommen wäre, wenn er diesen Satz einer Frau mitten ins Gesicht gesagt hätte …«
    »Als was wollen Sie denn von mir behandelt werden? Mann oder Frau?«, sagte er scharf. Die geballte Aufmerksamkeit aller Passagiere war uns nun sicher.

    »Ich möchte mit Respekt behandelt werden, und genau das haben Sie getan. Wofür ich Ihnen danke«, sagte ich ernsthaft und mit einer angedeuteten Verbeugung. Es folgte ein Moment des Schweigens und des Abschätzens, bis es so schien, als hätten wir eine Art gemeinsamen Nenner gefunden.
    »Die Tatsache, dass ein Opfer ihm nicht reichte, dass er weiter morden musste, verrät uns einiges über den Mörder«, fügte ich ruhig hinzu.
    »Er giert nach Macht«, bemerkte Holmes.
    »Denn ansonsten hat er keine.«
    »In der Tat!«, rief er aus. »Alle suchen nach dem Raubvogel und keiner verdächtigt die kleine graue Maus!«
    Seine Begeisterung wandelte sich in Nachdenklichkeit, und er schaute wieder zum Fenster hinaus. Die langen schweigsamen Abschnitte, die unsere

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