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Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Titel: Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelie Wendeberg
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Da keine Antwort kam, gab ich sie selbst. »Man kann zum Beispiel das Fleisch eines Tieres essen, das Tetanus hat.«
    Plötzlich erinnerte ich mich an den Hampton-Mann. Ich untersuchte die Hand- und Fußgelenke des Toten, der vor mir lag, fand aber keine Fesselspuren. Dann kontrollierte ich die beiden Armbeugen – nichts. Die Studenten schauten mich fragend an.
    »Was könnte diese Symptome noch auslösen?«
    Schweigen. Da die meisten von ihnen die Toxikologie-Vorlesungen noch nicht belegt hatten, beantwortete ich die Frage wieder selbst. »Das Alkaloid der Brechnuss, bekannter unter dem Namen Strychnin. Eines seiner berühmtesten Opfer war Alexander der Große.«
    Ein Raunen erhob sich, und ich wartete, bis wieder Stille einkehrte. »Um Strychnin von Tetanus unterscheiden zu können, müssen wir den Mann öffnen.«
    Ich schob den kleinen Tisch mit meinen Utensilien dichter an die Marmorplatte. Wie erwartet drängten sich die neuen Studenten weiter nach hinten, als ich mein größtes Messer zückte und es durch die Haut der Leiche zog.
    In seinem Magen-Darm-Trakt konnte ich keine infizierten Bereiche finden, doch an seinem Herzen befand sich eine geschwollene und dunkle, fast schwarze Stelle. Ich schnitt sie auf und roch daran – es stank. Dennoch konnte ich meinen Studenten nicht erklären, wie die Tetanusinfektion das Herz erreicht hatte. Wir standen vor einem Rätsel. Ich öffnete die Schädeldecke, schnitt die Gehirnhälften in Scheiben und fand die typischen, mit Flüssigkeit gefüllten Läsionen, die nur Tetanus hervorrief, nicht aber Strychnin.
    Etwas ratlos richtete ich mich auf. »Es scheint, als ob die Schotten tatsächlich allesamt Dudelsack spielen.«
    McFadin grinste.
    Nachdem die Vorlesung vorüber war, sandte ich Holmes ein Telegramm, wickelte Stiefel und Kleidung des Toten in Wachspapier und machte mich auf den Weg nach Hause.

Kapitel Sechs

    ch spazierte durch belebte Straßen, quetschte mich an anderen Fußgängern vorbei, ständig bereit, einer Kollision auszuweichen. Straßenverkäufer priesen ihre Waren an, und ein wildes Duftgemisch wehte durch die Luft dieses Sommerabends – Fisch, Gebäck, Rauch, Blut, Urin und kalter Schweiß. Ich kaufte eine Aalpastete und aß sie im Gehen, das Paket unter den Arm geklemmt.
    Auf dem direkten Weg nach Hause waren es drei Meilen, doch den nahm ich fast nie. Auch vermied ich es, dieselbe Route an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zu gehen oder zu fahren. So versuchte ich meine beiden Leben voneinander zu trennen – das männliche und das weibliche. Wenn mir irgendwer vom Guy’s nach Hause folgen wollte, hätte er es schwer.
    Wenn das Wetter es zuließ, ging ich häufig zu Fuß, an anderen Tagen nahm ich eine Droschke oder den Omnibus bis zu irgendeiner Ecke in der Nähe der Bow Street.
    Heute war es trocken und sonnig, ein perfekter Tag für einen Spaziergang. Ich ging über die London Bridge, bog links in die Upper Thames Street ein, ganz runter bis zur Blackfriars Bridge, überquerte den Fluss ein zweites Mal, dann auf die Stamford, überquerte ihn wieder auf der Waterloo Bridge, über die Strand – manchmal aß ich hier zu Abend, aber nicht heute –, die Charles Street entlang und dann auf die Bow Street.
    Beim Schuster ging’s durch die Hintertür und danneine enge Treppe hinauf. Ich passte auf, mir nicht den Kopf an der niedrigen Decke zu stoßen. Dann kam ein dunkler Flur, direkt unter dem Dachboden.
    Ich schloss eine Tür am Ende des Flures auf und betrat einen winzigen, fensterlosen Raum. Meine Vermieterin konnte nicht besonders gut sehen, und das war mir nur recht. Es war einfach gewesen, sie glauben zu lassen, ich würde den Raum als Lager für Kostüme benutzen. Ich hatte ihr gesagt, dass zu unregelmäßigen Zeiten entweder ich selbst oder Kunden von mir kommen würden, um sich Kleidungsstücke auszusuchen. Da diese wenigen Besitztümer meinen ganzen Reichtum darstellten und ich es mir nicht leisten konnte, sie zu verlieren, hatte ich sie überredet, ein weiteres Schloss an der Tür anbringen zu dürfen, zu dem nur ich den Schlüssel hatte. Eine ungewöhnliche Vereinbarung. Aber sie brauchte den extra Schilling pro Woche. Ich entzündete die zwei Öllampen rechts und links des Kleiderschranks, schloss die Tür meines geheimen Umkleidezimmers und war bereit für mein tägliches Ritual. Die Schranktür knarrte beim Öffnen. Der Spiegel auf der Innenseite gab den Blick auf Dr. Anton Kronberg frei: angesehenes Mitglied des medizinischen

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