Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)
Unterhaltung unterbrachen, waren mir nicht unangenehm. Wir hielten beide nichts von sinnlosem Geplapper.
hertsey war ein niedliches Städtchen mit alten Häusern, kleinen Vorgärten und gelegentlich vorbeistreunenden Katzen oder Ziegen, die sich vielleicht fragten, wer zur Hölle diese beiden Eindringlinge waren.
»Ach!«, seufzte Holmes enttäuscht, als wir die Straße erreichten, die an den Chertsey Meads entlangführte.
Wir hatten erwartet, Fußspuren vorzufinden, da der Boden dort immer feucht war, doch das Kopfsteinpflaster machte uns einen Strich durch die Rechnung.
Tief über die Straßenränder gebeugt, schaute Holmes sich suchend um, um mögliche Spuren des Hampton-Mannes zu finden. Zwischendurch kroch er sogar auf dem Boden, mit der Nase fast im Dreck, das Vergrößerungsglas gezückt.
Unterdessen schaute ich mich in der Aue um. Der Wind bewegte die Gräser in Wellen, und die Sonne malte Gold auf ihre Spitzen. Die weichen Bewegungen ließen feine Gittermuster erkennen, die Tiere auf ihrem Weg durch die Wiesen hinterlassen hatten. Ich bückte mich und untersuchte den Boden und die Tunnel von nahrungssuchenden Hasen und anderen kleinen Kreaturen. Wir kamen deprimierend langsam voran, so weit ohne Ergebnis. Nach einer halben Stunde wurde ich ungeduldig und entschuldigte mich. Holmes ließ lediglich ein Knurren hören.
Bei einer nahegelegenen Weide zog ich Schuhe und Socken aus, rollte meine Hosen und Ärmel hoch und kletterte auf den Baum. Eine Lücke im Geäst gab einen grandiosen Blick über ganz Chertsey Meads frei. Ich sah Holmes, mal wieder auf allen vieren. Der Mann hatte Biss. Lerchen trällerten, und eine Weihe schaukelte mit ihren langen, schwarz-gespitzten Flügeln über den Fluss.
Dann sah ich es: Auf einem der Tierpfade waren die Grashalme im oberen Bereich geknickt; die Spur konnte nur von einem großen Tier stammen. Ich steckte zwei Finger in den Mund und pfiff.
Holmes richtete sich auf und sah sich um. Es wirkte, als hätte er meine Abwesenheit gar nicht bemerkt. Ich pfiff erneut, und er entdeckte mich.
»Noch gut zwanzig Meter, Mr Holmes!«, brüllte ich durch den Trichter meiner Hände. Sofort drehte sich Holmes um und ging in die empfohlene Richtung. Er untersuchte einen Augenblick den Boden und das Gras, stieß einen überraschten Ruf aus und schoss los in Richtung Themse.
Ich kletterte hinab, griff meine Socken und Schuhe und nahm eine Abkürzung zum anderen Ende der Spur. Als Kind hatte ich gelernt, dass man sich zwischen den Zehen schnitt, wenn man mit langen Schritten barfuß durch ein Sumpfgebiet lief. Also stampfte ich wie ein dicker Bauer daher und hoffte, Holmes würde mich nicht sehen.
Der Fluss gluckerte leise; Schilfrohrsänger schimpften miteinander. Ich passte auf, nicht den Pfad zu betreten. Es war klar, dass hier jemand entlanggegangen war. Direkt neben dem Fluss waren Gras und Schilf auf zwei mal drei Metern niedergedrückt – hier musste er sich ausgeruht haben. Plötzlich fielen mir die Schuhe des Hampton-Mannes wieder ein. Holmes hatte sie mir gezeigt. Doch die Abdrücke der Sohlen waren nicht identisch mit denen, die ich hier sah.
»Halt!«, warnte Holmes mich, als ich einen Schritt auf das Ufer zu machte.
Er inspizierte das plattgetrampelte Areal eine Minute lang. »Wie erwartet«, sagte er dann.
»Und was haben Sie erwartet?«
»Der Hampton-Mann ging, oder eher gesagt, schleppte sich die halbe Strecke durch die Aue. Er wurde begleitet von einem Mann mit großen Schuhen, Mr Big Boots.« Holmes zeigte auf den Boden neben sich. Dort in der feuchten Erde waren die Fußabdrücke deutlich zu erkennen. Die mit den Löchern in der Sohle fehlten.
»Er hat ihn getragen«, stellte ich fest.
»Ja. Und hier«, er deutete wieder auf den Boden, »hat er ihn abgelegt.«
Ein länglicher Abdruck war zu sehen, dessen Form zur zierlichen Statur des Hampton-Mannes passte.
»Sie müssen Freunde gewesen sein«, konstatierte erund erklärte auf meinen fragenden Gesichtsausdruck hin: »Big Boots hat ihn getragen, und es gibt keinerlei Anzeichen für einen Kampf. Das lässt zwar nur eine Vermutung zu, aber hier ist der Beweis!« Er zeigte auf den Abdruck eines Hinterteils am Ende der länglichen Vertiefung. »Der Hampton-Mann starb mit dem Kopf auf dem Schoß seines Freundes!«
Er sinnierte zwei Sekunden, stellte fest, dass diese Informationsquelle ausgeschöpft war, und verfolgte die Fußspur zurück zur Kopfsteinpflasterstraße, wo sie endete.
Wir gingen nach Chertsey
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